Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Rudi Mühlehner aus Langdorf

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Vom Wald das Beste: Rudi Mühlehner aus Langdorf

Langdorf. "Entschuldigung, haben Sie mal einen Stift für mich?" Mit Verlaub - diese Frage kann Rudolf Mühlehner aus Langdorf im Landkreis Regen nur sehr schwer verneinen. Der 73-Jährige ist leidenschaftlicher Sammler.

Nicht von Briefmarken, Modelleisenbahnen oder Schallplatten. Mühlehner sammelt Kugelschreiber. Und besitzt mittlerweile rund 48.000 Stück davon. Ein etwas merkwürdiges Hobby vielleicht, aber „jeder spinnt halt auf seine Weise“, wie er findet.

Und: In diesen Dimensionen war das ohnehin alles nie geplant…

„Herr Mühlehner, wir haben gehört Sie sammeln leidenschaftlich gerne Kugel-…“ Mehr braucht es bei der telefonischen Anfrage zu einem Gespräch gar nicht, ehe ein überzeugtes, zufriedenes „Jaahaa!“ am anderen Ende der Leitung zu hören ist. „Wann hätten Sie denn Z…“ Am besten gleich noch heute!

Seine Leidenschaft fürs Kugelschreiber sammeln muss man dem Rentner jetzt nicht unbedingt aus der Nase ziehen, soviel ist von Minute eins an klar. Als er sich vor sechs Jahren, damals bereits seit vier Jahren in Rente, gedacht hatte, „mir wird irgendwie langweilig“, begab sich Mühlehner auf die Suche nach einem Hobby. Und stellte zwei Kulis in ein Glas.

"In letzter Zeit bin ich eh ruhiger geworden"


Mehrere Stunden pro Tag verbringt der Rentner oftmals damit, das Branchenbuch "Die Gelben Seiten" durchzublättern – und durchzutelefonieren. Immer auf der Suche nach neuer Beute. Nach neuen Firmen, die ihm ihr Schreibwerkzeug zuschicken. Das ging zu Spitzenzeiten so weit, dass der Postbote mürrisch wurde, weil der Postkasten zu klein geworden war.

Und er als Briefträger kein persönlicher Kugelschreiber-Zustellservice sei. Unlängst bekam er 4.000 Stück von einem verstorbenen Sammler aus Passau auf einen Schlag zugesandt. Aber, „in letzter Zeit bin ich eh ruhiger geworden“, beschwichtigt Mühlehner.

Im Laufe der Jahre hat der 73-Jährige aus seiner Sammlerei eine Art Philosophie entwickelt. Grundsatz Nummer 1: Kugelschreiber müssen gratis sein. Er selbst würde das zwar nicht so nennen, aber seine Kinder bezichtigen ihn deshalb scherzhaft gerne mal der Bettelei. Für Mühlehner aber geht’s ums Prinzip. Grundsatz Nummer 2: Keine doppelten Kulis. Gelegentlich nehme er sich deshalb ein paar Stunden, meisten nachdem eine größere Lieferung angekommen ist, um auszusortieren.

Aus der Sammlerei wurde eine Philosophie

Ein Freund aus der Nähe von Straubing nimmt ihm seinen Überschuss dann ab. Im Tausch gegen neue Exemplare. Und natürlich unterhält man sich nebenbei auch über Kugelschreiber.
Bei 48.000 Stück den Überblick zu behalten sei dann auch „gar nicht so tragisch, wie sich das anhört“. Mühlehner katalogisiert seine Sammlung nicht. Doch anhand der Telefonbücher kann er nachvollziehen, welche Firmen-Kulis er bereits besitzt.

Die habe er alle im Gedächtnis - „außer die Pharma-Firmen mit ihren komischen Namen“. Und ja, ob unter den knapp 50.000 vielleicht ein paar hundert Doppelte sind, kann er jetzt auch nicht mit letzter Gewissheit sagen. Aber das sei auch egal.

Grundsatz Nummer 3: Ein Kugelschreiber in der Kiste widerspricht seiner Essenz. Ein Sammlerstück muss deshalb gut sichtbar platziert werden - nicht in Kartons, Schachteln oder gar Schränken versauern. Sammeln bedeutet ausstellen. Was bei einer derartigen Dimension nicht immer unbedingt einfach sein muss. Aber auch hier hat sich das Sammlerherz etwas einfallen lassen.

Sammeln bedeutet ausstellen

Die Zusendung einer Glückwunschkarte, bedruckt mit einem Igel, brachte ihn auf eine entscheidende Idee. So viele Kugelschreiber wie der Igel Stacheln hat, solle er einmal sammeln, schrieb die Verfasserin. Und Mühlehner fing daraufhin an, seine eigenen „Igel“ zu bauen: Baumstämme, etwa einen Meter hoch, in die er Löcher für seine Kulis bohrte. Das spart Platz und die Exemplare bleiben dennoch an der frischen Luft.

21 solcher Stämme stehen mittlerweile in seinem ehemaligen Partykeller - mit etwa 1.300 Stück pro Stamm. Dazu kommt eine präparierte Holzdecke mit weiteren 14.000 Sammlerstücken. Und einige weitere Konstruktionen, die er im Laufe der Zeit ausgetüftelt und zusammengebaut hat. Denn: „Ich möchte ja auch was sehen von meiner Sammlung“.

Dass das ganze Unterfangen einmal solche Ausmaße annehmen würde, hatte sich Mühlehner wohl selbst nicht ausmalen können. 20 Jahre hat er als Maurer gearbeitet. Später, nach einer Umschulung, wechselte er für weitere 20 Jahre zur Firma Schott in Zwiesel. Und nach getaner Arbeit brauchte es eben etwas Neues.

"Ich suche mir jetzt ein Hobby"

„Ich suche mir jetzt ein Hobby“, habe er damals zu seiner Frau gesagt. Und bekam kurz darauf zwei Kugelschreiber zugeschickt. Es dauerte nicht lange und seine Frau habe gedroht seine „Sammlung“ zu entsorgen, erinnert sich der Langdorfer und lacht.

Die zwei Schreiber hätten nichts in einem Glas zu suchen. Ja, auch seine Frau habe sich irgendwann – wegen „Kugelschreiber, Kugelschreiber, Kugelschreiber“ – nach einem eigenen Hobby umgesehen, witzelt er.

Und von da an begann sich sein einstiger Partykeller in einen wahren Schauraum zu verwandeln. „Das müssen Sie sehen“, betont er immer wieder. „Ich will ja keine Sprüche klopfen, aber das ist echt faszinierend.“ Und das ist es in der Tat. Unter seinen Lieblingen befinden sich Rennauto- und Krokodil-Kulis.

Sein Nachbar habe ihm einst einen von Barack Obama mitgenommen. Ob der Ex-US-Präsident damit tatsächlich schon persönlich seinen „Servus“ unter ein Gesetz platziert hatte, wisse er zwar nicht, aber das Schreibgerät stamme nachweislich aus dem Weißen Haus.

„Ich will ja keine Sprüche klopfen, aber das ist echt faszinierend.“

Seinen Kindern, die sein Vorhaben offenbar von Zeit zu Zeit etwas kritisch beäugen, habe er einst versprochen, dass nach 20.000 Stück Schluss sei. Danach wurden es 25.000, später 30.000. Mittlerweile sind es knappe 50.000 - aber „i dua dahi, solang‘ i Lust hab“.

Denn „jeder spinnt eben auf seine Weise“…