Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Kunsthandwerker Klaus Büchler aus Spiegelau

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Vom Wald das Beste: Kunsthandwerker Klaus Büchler aus Spiegelau

Spiegelau. Das unmittelbar neben den eigenen vier Wänden gelegene Elternhaus des 71-Jährigen beschreibt die beiden Welten, die in der Person Klaus Büchler aufeinandertreffen, nahezu perfekt. Einerseits ist das einstige Heim seiner Eltern am Rande von Spiegelau ein typisches, in mühevoller Handarbeit gebautes Siedlungshäuschen, das die Entbehrungen dieser Generation genauso verdeutlicht wie deren schier unendlichen Fleiß.

Andererseits steht das Gebäude, das der Besitzer inzwischen zu einer Galerie umgebaut hat, für die neue, moderne Ausrichtung des Erben. Klaus Büchler ist Glaskünstler und -handwerker gleichermaßen.

Zwei Richtungen, die sich nur auf den ersten Blick unterscheiden.

Klaus Büchler wuchs im Bayerischen Wald der Nachkriegszeit auf. Früh kam er in Kontakt mit dem Werkstoff Glas und den damit verbundenen Materialien und Fertigkeiten. Sein Vater war zunächst als Waldarbeiter, später in der Glashütte in Spiegelau beschäftigt, die dem Ort in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald sein Gesicht gab und ihn nachhaltig prägte. Bereits in jungen Jahren musste er zuhause mitanpacken. "Es war eine andere Zeit damals", blickt Büchler zurück. "Härter, aber auch schöner."

"Härter, aber auch schöner."

Genauso selbstverständlich wie die Tatsache, dass Kinder in den 50er Jahren im Familienverbund als willkommene Arbeitskraft galten, galt auch die berufliche Richtung, die viele Buben rund um Lusen und Rachel eingeschlagen hatten, als vorprogrammiert. Die Glasproduktion war neben dem Holzgewerbe der wichtigste wirtschaftliche Faktor im Woid - gleichermaßen ein Sektor, in dem viele Waidler einen Arbeitsplatz fanden. So auch Klaus Büchler. Der junge Spiegelauer kam dabei jedoch in den zur damaligen Zeit seltenen Genuss, vor der Ausbildung die Glasfachschule in Zwiesel besuchen zu dürfen.

"Ja, das war schon etwas Außergewöhnliches. Aber das hat sich einfach so ergeben. Es hat dann immer geheißen: Nachad kannst owei na in d‘Hiddn geh", erinnert sich Klaus Büchler. Doch diese Rechnung hatten seine Eltern ohne den künstlerisch veranlagten jungen Mann gemacht. Denn nach dem Abschluss kehrte er nicht nach Spiegelau zurück, sondern ging für fünf Jahre nach Lübeck.

Ein großer Schock für Vater und Mutter - eine noch größere Chance für ihn selbst, wie er betont. Aus Norddeutschland brachte er Ideen, Vorgehensweisen und Gestaltungsmöglichkeiten mit, die ihn bis heute geprägt haben - und die ihm sowohl beruflich als auch künstlerisch zugutegekommen sind.

"Der Kommerz hat die Glasbranche im Woid kaputt gemacht“

Nach der Rückkehr nach Spiegelau war er bis zu seinem Renteneintritt in der dortigen Glashütte ein angesehener Arbeiter. Als Feinschleifer war er für die Anfertigung von Mustern zuständig, die dann in Produktion gingen. "In schlechten Zeiten hieß es immer: Klaus, hast noch a Muster? Denn dann ging wieder ein Produkt in Serie - und der Fortbestand der Hütte war gesichert."

Im 20. Jahrhundert sei die Glasproduktion noch ein kreativer Job gewesen, der viel handwerkliches Geschickt sowie Leidenschaft erforderte. Im neuen Jahrtausend jedoch seien Gläser zur billigen Massenware verkommen. "Der Kommerz hat die Glasbranche im Woid kaputt gemacht“, ist Klaus Büchler überzeugt.

Das Hüttensterben in Spiegelau, Riedlhütte und zuletzt Frauenau hat der Rentner nur noch am Rande wahrgenommen. Das Ende dieser wichtigen Arbeitgeberstätten sei freilich eine Tragödie für den Wirtschaftsstandort Bayerischer Wald gewesen. Büchlers Ermessen nach ist die Region inzwischen jedoch so stark aufgestellt, dass dieser Verlust abgemildert werden kann. Das Kulturgut Glas lebe ohnehin weiter, etwa in Form des Technologie-Anwenderzentrums in Spiegelau - oder eben durch Künstler wie Klaus Büchler.

Wobei der Spiegelauer den Begriff „Künstler“ nur ungern im Zusammenhang mit seiner Person erwähnt. Er sei vielmehr ein Handwerker, der seine Fähigkeiten über die Jahre hinweg verfeinert habe, betont er. Bescheidene Worte eines Mannes, der in der Glas-Szene weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt ist. Bescheidene Worte, die einen Kontrast darstellen zur großzügigen Galerie, den vielen Ausstellungsstücken im heimischen Garten sowie im Wohnhaus. Bescheidene Worte, die all diejenigen,die den 71-Jährigen etwas näher kennengelernt haben, gewiss abnehmen.

"Wenn de s‘Glos amoi abbaggd hod, des losd de nima aus", fasst der Mann mit dem markantem Vollbart und den etwas müde wirkenden Augen seine Faszination für dieses Produkt in Worte. Das Künstlerische sei kein angeborenes Talent, sondern vielmehr die Folge einer steten Entwicklung, eines immensen Erfahrungsschatzes im Umgang mit dem brüchigen Material.

"Meine Kreativität hat ihren Ursprung in der Begeisterung für Glas, im Interesse und in der Freude, mit diesem Material zu arbeiten." So kam es, dass Büchler bereits in jungen Jahren nach Feierabend noch im eigenen Keller mit Glas hantierte. Inzwischen, seit dem altersbedingten Ende seiner beruflichen Karriere, ist diese Tätigkeit zur willkommenen Hauptbeschäftigung geworden.

"Wenn de s‘Glos amoi abbaggd hod, des losd de nima aus"

Seine in stundenlanger Feinarbeit erstellten Werke blieben auch nicht lange im Verborgenen. Mit dem Eintritt in den Kunstverein Wolfstein wurden Büchlers Skulpturen Teil erster Ausstellungen. Ganz ohne sich selbst anzubiedern, wie er unterstreicht. "Ich habe nie irgendwo angefragt, ob ich ausstellen darf. Mein glücklicher Umstand ist, dass ich nicht abhängig bin von solchen Einladungen." Und erneut schiebt der 71-Jährige hinterher: "Und eigentlich bin ich ja gar kein Künstler. Wenn schon unbedingt dieser Begriff fallen muss, dann soll man mich Kunsthandwerker nennen. Ich stehe für Kunst mit handwerklichem Hintergrund."

Ein Blick in seine Werkstatt lassen diese Worte Realität werden. Glaskunst hat mit harter Arbeit zu tun, mit Schweiß und Kraft. Sein "Künstler-Atelier" ist ein Kellerraum, vollgepackt mit Schleifmaschinen und weiterem schweren Werkzeug, das für der Bearbeitung des filigranen Werkstoffes Glas nötig ist. Hier entstehen Kunst(hand)werke durch eine Verbindung aus angelernten Vorgehensweisen und der Leidenschaft als Treibstoff für die ihm innewohnende Kreativität. "Ich sehe irgendwo etwas Schönes - zum Beispiel in der Natur. Nach und nach reift in mir der Gedanke, wie ich das Gesehene glastechnisch umsetzen könnte. Dann lasse ich meinen Ideen freien Lauf - ganz ohne Druck, ganz ohne Zwang."

Genau diese Freiheit ist es, die Klaus Büchler braucht, um Freude für sein Schaffen entwickeln zu können. Müsste er mit dem Geld, das er durch den Verkauf seiner Werke einnimmt, seinen Lebensunterhalt bestreiten, hätte er niemals eine derart große Liebe für diese Art der Glasbearbeitung entwickeln können. Davon ist er überzeugt. Generell spiele der finanzielle Aspekt bei seinem Hobby eine verschwindend kleine Nebenrolle. "Ich freue mich, wenn jemand kommt, sich für meine Skulpturen interessiert, etwas kaufen will und dafür einen kleinen Obolus entrichtet."

Der Lohn für seine Arbeit ist eher die Dankbarkeit, die Klaus Büchler verspürt, wenn er das Glas so bearbeitet hat, dass es ihm gefällt. Dieses Glücksgefühl macht sich auch dann im 71-Jährigen breit, wenn er an seine Heimat, den Bayerischen Wald, denkt. Er lebt und arbeitet gerne in Spiegelau. Genauso wie er ein vielseitig interessierter Mensch ist – egal, ob im kulturellen, sportlichen oder gesellschaftlichen Sinne.

"Unsere Region hat sich toll entwickelt."

"Wenn man so will vertrete ich den Bayerischen Wald, weil Glas immer mit diesem Landstrich in Verbindung gebracht wird. Doch da Woid ist längst mehr als Glas. Unsere Region hat sich toll entwickelt."

Klaus Büchler selbst ist Teil dieses Werdegangs. Er vereint das traditionelle Glashandwerk, das vor allem um Spiegelau, Riedlhütte und Frauenau eine gewichtige Rolle spielte, mit den modernen Komponenten der Kunst. In seinen Werken lebt die Vergangenheit weiter. Gleichzeitig wird das Gegenwärtige ein Teil der Zukunft. Genauso wie das Elternhaus des 71-Jährigen: ein stolzes Arbeiterhäuschen mit künstlerischer Neuausrichtung.