Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Gerhard Stich aus Lindberg

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Vom Wald das Beste: Gerhard Stich aus Lindberg

Lindberg. Allein die Frage nach seinem Beruf macht deutlich, wie vielschichtig das Leben von Gerhard Stich ist. Während viele Menschen nicht lange überlegen müssen, um darauf eine Antwort zu geben, löst diese scheinbar lapidare Erkundigung beim 60-Jährigen einen längeren Selbstfindungsprozess aus. Und nach etwas mehr als einem Moment, während dem der Lindberger vor seinem inneren Auge noch einmal sein Leben durchgeht, bezeichnet er sich selbst augenzwinkernd als "Rossknecht".

Während diverse Berufskammern ob dieser Bezeichnung wohl die Hände über den Kopf zusammenschlagen würden, macht sie wohl am besten anschaulich, dass Gerhard Stich ein Universaltalent darstellt, das ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist.

Der Einstieg in die Arbeitswelt begann für Gerhard Stich jedoch mit einer herben Enttäuschung. Nach einer typischen Jugend im Bayerischen Wald - mit vielen Entbehrungen, dafür umso mehr Unbeschwertheit - wollte der junge Mann in die Fußstapfen seines Vaters treten und Zimmerer werden.

"Schon als Kind hat mich der Beruf meines Papas beeindruckt, vor allem die täglich sichtbaren Ergebnisse harter Arbeit."

"Vor allem die täglich sichtbaren Ergebnisse harter Arbeit."

Doch leider fand der Lindberger in seinem Heimatdorf  und in der Umgebung keine Lehrstelle. Er wurde stattdessen Metzger. "Der örtliche Betrieb suchte einen Lehrling - und da habe ich einfach anfangen müssen."

Die Auswahlmöglichkeiten in Sachen Ausbildung waren im damaligen Bayerwald noch recht überschaubar. Deshalb nahm man das, was man bekam – Widerrede: zwecklos. "Das war einfach so", kommentiert Stich nüchtern und ohne nachträgliche Trauer ob der verpassten Chance, seinen Traumjob zu erlernen.

Mit dem Metzgerberuf arrangierte sich der Lindberger dann auch nach und nach - und kehrte zu einem späteren Zeitpunkt sogar ein weiteres Mal ins Schlachthaus zurück. Dazwischen packte ihn jedoch die Abenteuerlust: Nachdem Stich während des Wehrdienstes den Lkw-Führerschein gemacht hatte, versuchte er sich als Fernfahrer.

"Zunächst hat mir das ganz gut gefallen. Irgendwann jedoch habe ich Heimweh bekommen." Die Zeit in der Fremde sorgte beim Waidler generell für ein Umdenken.

Er lernte die Vorzüge des Bayerischen Waldes erst kennen, als er diese vermisste. "Unsere schöne Landschaft, die Ruhe, die Menschen - hier fühle ich mich wohl. Hier bin ich dahoam", wird er fast schon etwas pathetisch, wenn er an das Gebiet rund um den Arber denkt.

Mutete die Region Lindberg in seiner Jugendzeit zumeist langweilig, verlassen und etwas einsam an, wurde das Zwieseler Hinterland über die Jahre hinweg immer mehr zum bewusst wahrgenommenen wie liebenswerten Lebensmittelpunkt.
Und auch beruflich entwickelte sich das Leben von Gerhard Stich zunehmend in die passende Richtung. Sein Wechsel zu einem Schuhservice und Schlüsseldienst in der benachbarten Glasstadt Zwiesel ermöglichte es ihm, sein vielseitiges handwerkliches Talent vollumfänglich einzusetzen.

Hier bin ich dahoam

Er war weg vom eher monotonen Beruf des Metzgers mit seinen stetig gleichen Arbeitsabläufen. "Diese harte Arbeit hätte ich wohl nicht bis zum Renteneintritt durchgestanden", sagt er und ergänzt sogleich: "Der Lohn war auch recht niedrig."

Vor allem der individuelle Umgang bei der Reparatur mit jedem einzelnen Schuh hatte es dem Lindberger von Beginn an angetan - so sehr, dass er sich dazu entschloss, sich in diesem Bereich selbstständig zu machen. Er gründete eine Ich-AG, die in der damaligen Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen, und baute die heimische Garage zu einer Schuhwerkstatt um. "Die Nachfrage war jedoch zu gering. Ich musste wieder etwas Anderes machen, weil es einfach nicht gereicht hat."

Während der dreifache Familienvater in der Folge kurzfristig Platzwart auf einem Campingplatz in Zwiesel war und eine Umschulung zum Schweißer absolvierte, blieb sein Schuhservice stets sein geliebter Nebenjob - bis heute.

Doch auch hauptberuflich fand er - nach einer gefühlten Ewigkeit - eher per Zufall seine Bestimmung: Gestartet als Aushilfe auf dem Kronerhof bei Zwiesel, kümmert sich der 60-Jährige heute um die Kühe und Pferde genauso wie um die Touristen, die im dortigen Feriendorf ihren Urlaub verbringen. Er ist dort als eine Art Hausmeister tätig. Eine abwechslungsreiche Beschäftigung, die schnell zu einer klaren, unumstößlichen Ansage führte: "Hier bleibe ich." Nach einer nahezu rastlosen Suche nach dem richtigen Job ist der "Rossknecht", wie er sich selbst mit einem Augenzwinkern bezeichnet, endlich angekommen.

Hier bleibe ich

Sein beruflicher Irrweg lässt jedoch keine Rückschlüsse auf Gerhard Stichs Persönlichkeit zu. Ihn als orientierungslos oder gar chaotisch zu bezeichnen, liegt einem fern. Der Lindberger ist ein Mann, der weiß, um was es im Leben geht. Das Wohlbefinden seiner Familie und seiner engsten Freunde steht über allem.

Der Beruf war lange Jahre nur Mittel zum Zweck, um Geld zum Leben zu verdienen. Erst kurz vor dem Renteneintritt wurde die Arbeit zur Leidenschaft, wie der Waidler - ein angenehmer, wenn auch etwas wortkarger Gesprächspartner - deutlich macht.

Und während er in Sachen Broterwerb ein eher inkonstantes Leben hinter sich hat, gibt es da etwas, was Gerhard Stich seit seiner Kindheit begleitet: die Musik. Genauer gesagt seine Gitarre, die Steirische und seine Stimme. Eine Neigung, die er von seinem Vater geerbt und immer weiter ausgebaut hat.

War er zunächst "nur" Mitglied einer Oberkrainer-Cover-Band, ist seine musikalische Tätigkeit inzwischen deutlich vielschichtiger: Gerhard Stich bildet etwa gemeinsam mit Bayerwald-Botschafter Adrian Kreuzer und dessen Tochter das bekannte Volksmusik-Trio "Arberschrammeln".

Nachdem der Lindberger Kirchenchor auf der Suche nach einem neuen Leiter war, übernahm er spontan auch diese Aufgabe – was zeigt, dass Stich ein spontaner Mensch ist. Um den Chor weiterentwickeln zu können, musste der neue Chef zunächst jedoch erst einmal Noten lernen.

"Vorher habe ich immer nach Gehör gespielt", berichtet er. "Und dann noch im fortgeschrittenen Alter umzulernen - das war gar nicht so einfach."

"Und dann ist Musik nicht mehr das, was sie in meinen Augen sein soll"

Spricht Stich über die Musik, kommt er so richtig in Fahrt. Er erzählt von Auftritten, von den Proben, vom Zusammenspiel mit Adrian Kreuzer, vom Alltagsgeschäft mit dem Kirchenchor - und kommt irgendwann zum Schluss, dass Musik für ihn mehr ist als nur ein Hobby. „Ich spiele und singe leidenschaftlich gerne."

Dennoch war es ihm stets wichtig, dass seine Lieblingsbeschäftigung auch eine Freizeitaktivität bleibt. Müsste er mit seinen Auftritten den Lebensunterhalt bestreiten, hätte er Druck - "und dann ist Musik nicht mehr das, was sie in meinen Augen sein soll".

Generell bezeichnet sich Gerhard Stich, der lange Zeit auch Schankkellner im bekannten Ausflugslokal „Schwellhäusl“ bei Bayerisch Eisenstein war, als jemanden, der einfach nicht "Nein" sagen kann. Deshalb sei er immer irgendwie „auf dem Sprung“. Deshalb hätte er immer wieder neue Sachen ausprobiert.

"Gemütlichkeit steht an erster Stelle"

"Das ist aber jetzt vorbei", stellt der 60-Jährige ernüchtert fest. "Nun werde ich das Leben mit Ruhe angehen - Gemütlichkeit steht an erster Stelle."
Man will es ihm glauben, keine Frage. Aber irgendwie kann man es nicht. Die nächste Herausforderung wartet bestimmt schon auf ihn…