Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Diakonin Gabriela Neumann-Beiler

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Vom Wald das Beste: Diakonin Gabriela Neumann-Beiler

Spiegelau. Sie ist eine überzeugte Anhängerin der evangelischen Kirche. Sie ist aber auch eine Geistliche, die über ihre Konfession hinausblickt und gewisse Dinge ihrer Glaubensrichtung kritisch sieht. Ihr ist bewusst, dass Religiosität nicht nur bedeutet, mit einer höheren Instanz regelmäßig in Kontakt zu treten und sich dabei auf das Zwiegespräch mit Gott zu reduzieren.

Empathie, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe sind für Gabi Neumann-Beiler keine gut gemeinten Vorsätze, die lediglich in der Bibel stehen, sondern prägende Teile ihres Charakters und Alltags sind. Die 58-jährige Spiegelauerin ist Diakonin. Für die sie ist Kirche kein ausschließlicher Ort des Glaubens, sondern vielmehr der Gemeinschaft, der Zusammenkunft, des Wohlfühlens.

Eine Einstellung, die tief verwurzelt ist in der Persönlichkeit von Gabi Neumann-Beiler, ihrer Familie und auch im Dorf in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald. Spiegelau gilt im ansonsten erzkatholischen Bayerwald als evangelische Diaspora. Zunächst brachten Industrielle, die holzverarbeitende Betriebe gründeten, aus dem ostdeutschen Raum den Protestantismus in den Ort, gefolgt von Flüchtlingen aus Schlesien nach dem Zweiten Weltkrieg - darunter auch Familie Neumann.

"In Spiegelau wurde bereits 1901 auf Privatinitiative die Lutheranische Kirche gebaut - übrigens noch vor dem katholischen Gotteshaus", wie die 58-Jährige zu berichten weiß.
Bereits während ihrer Kindheit spielte der evangelische Glauben eine große Rolle - aus freiwilligen, nicht zwanghaft auferlegten Stücken. Für ihre Eltern war der sonntägliche Gottesdienstbesuch ein Pflichttermin aus religiöser Überzeugung, aber auch, um die Gemeinschaft zu pflegen.

"So war ich schnell im Kreise der Glaubensgemeinschaft engagiert. Ich gehörte dem Kirchenchor an und habe an vielen Ausflügen der Dekanatsjugend teilgenommen", erinnert sich Gabi Neumann-Beiler. Im Bayerwald der 1960er Jahre gehörte die Kirche - neben dem Sport-, dem Schützenverein und der Musikgruppe - zu den wenigen gesellschaftlichen Freizeitmöglichkeiten. Generell blieb damals nur wenig Zeit für Zerstreuung - auch im Hause Neumann.

"Ich habe selbstverständlich mitgeholfen"

Um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, eröffnete die Flüchtlingsfamilie einen kleinen Tante-Emma-Laden in Spiegelau, der schnell zum Lebensmittelpunkt von Gabi Neumann-Beiler wurde. "Dort spielte sich unser Alltag ab", erinnert sie sich. "Ich habe selbstverständlich mitgeholfen. Der Laden wurde aber auch zu einem Treffpunkt - der Familie sowie der Dorfbewohner." Im kleinen Geschäft sind nicht nur Lebensmittel und andere Haushaltswaren verkauft worden, dort wurde auch diskutiert, philosophiert und über Probleme gesprochen.

Die tiefgläubigen Neumanns entwickelten sich im Sinne des Nächstenliebe-Gebotes zu einer Art Seelsorge-Anlaufstelle.

Im Bayerischen Wald, so die Geistliche weiter, sei die Welt noch in Ordnung. Nicht nur in der Flora und Fauna, auch im menschlichen Miteinander. "Hier wächst man noch in Geborgenheit auf. Einer schaut auf den anderen. Danke, dass es uns so gut geht", betont sie. "Wir haben das größte Geschenk bekommen, das es gibt - und das ist Frieden. Dafür müssen wir täglich dankbar sein."

Danke, dass es uns so gut geht.

Genau nach dieser Maxime lebt und arbeitet Gabi Neumann-Beiler - nicht nur in der Kirche, sondern auch innerhalb der evangelischen Glaubensgemeinschaft und ihrer Familie, die „leider kinderlos“ geblieben ist. Zumindest auf den ersten Blick. Denn für die 58-Jährige sind die vielen Schüler, die sie unterrichtet, sowie alle Mitglieder ihrer Gemeinde mehr als nur ein Ersatz für leibliche Nachkommen. "Bei mir sind alle jederzeit willkommen."

"Ich habe einfach ein gutes Gefühl, wenn ich daran denke, hier leben zu dürfen"

"Im Endeffekt sind wir eins. Wir glauben an denselben Gott und haben die Bibel als Glaubensgrundlage", erklärt sie dazu. Dass die Diakonin eine vehemente Verfechterin des Miteinanders der christlichen Kirche ist, bestätigt auch der katholische Dekan Kajetan Steinbeißer: "Wir haben bereits viele Sachen gemeinsam organisiert, was dazu geführt hat, dass wir inzwischen befreundet sind. Gabi Neumann-Beiler ist ein offener Mensch mit großem Herzen und großem Interesse für Musik und Kultur."

Worte, die verdeutlichen, dass die 58-Jährige nicht nur innerhalb der eigenen Glaubensrichtung großen Respekt genießt, sondern auch beim vermeintlichen Mitstreiter.

Ihr Ansehen basiert auf einem Weitblick, den Gabi Neumann-Beiler nicht nur in theologischer Sicht auszeichnet. Die Spiegelauerin setzt sich mit ihren Mitmenschen genauso kritisch auseinander wie mit ihrer Umwelt, ihrer Heimat, dem Bayerischen Wald. "Ich habe einfach ein gutes Gefühl, wenn ich daran denke, hier leben zu dürfen", beschreibt sie die Liebe zur Landschaft rund um Lusen und Rachel. Während ihrer Zeit in Franken hatte sie den Woid nie außer Acht verloren, und ist - trotz manch klischeehafter Bemerkung - stets zu ihrer Abstammung und ihren Wurzeln gestanden. "Der Ruf unserer Gegend hat sich gravierend verändert", stellt sie heute fest. "Wir können Ruhe und Natur anbieten. Dinge, die viele Touristen inzwischen mehr und mehr wertschätzen."

Dieser Schritt hatte auch einige bauliche Veränderungen am Wohnhaus der Familie Neumann-Beiler mit sich gebracht. Der frühere Geschäftsraum des Dorfladens wurde zu einem Wohnzimmer, das gleichzeitig als eine Art kirchlicher Gemeinderaum dient, umfunktioniert. Dort finden sich viele Uhren - eine Sammelleidenschaft ihres Mannes –  genauso wie viele Bücher, eine Orgel, eine gemütliche Sitzecke, eine große Leinwand, auf die sie Dias oder Videos projizieren kann, sowie weitere Dekorationen, die zum einladenden Ambiente des Raumes beitragen. Jener Umbau stand sinnbildlich für das Leben der Geistlichen: Der Beruf hat ihr Leben vereinnahmt. Die evangelische Familie ist ihre Familie.

Die evangelische Familie ist ihre Familie

Sie genießt es, von Menschen umgeben zu sein. Die Gemeinschaftsstunden in den eigenen vier Wänden sowie der Unterricht an diversen Schulen rund um Spiegelau gehören zu ihren Lieblingsaufgaben. Dass sie mit Kindern umzugehen versteht, erzählt sie nicht nur selbst, sondern wird auch im Gespräch mit Gabi Neumann-Beiler schnell deutlich. Ihre liebenswerte Art, auf ihr Gegenüber nicht nur oberflächlich einzugehen, sondern es zu schätzen und ernst zu nehmen, ist allgegenwärtig. Auf beinahe kindlich-naive Weise bringt sie die Menschen dazu, sich ihr gegenüber zu öffnen. Viele Stunden verbringt sie deshalb damit, sich den Sorgen ihrer „Schäfchen“ zu widmen. Trotz der verstärkt sozialen und zeitaufwändigen Komponente in ihrem Leben behält die 58-Jährige auch das Große und Ganze im Blick.

Zwar sei die evangelische Kirche - auch aufgrund ihrer Erziehung - für sie die „absolut passende Glaubensrichtung“, doch auch der Protestantismus sei nicht perfekt, wie sie betont. Jüngst veröffentlichte Berichte über Missbrauchsfälle und das damit einhergehende Misstrauen der Geistlichkeit gegenüber stimmen Gabi Neumann-Beiler nachdenklich. "Nun ist es wichtig, alles vollständig aufzuarbeiten. Schweigen ist das schlechteste Mittel in diesem Zusammenhang." Ein weiteres Thema, mit dem sich die Spiegelauerin sehr intensiv beschäftigt, ist die Ökumene, die Gesamtheit der christlichen Kirchen. Regelmäßig zelebriert sie gemeinsam mit katholischen Kollegen Gottesdienste, organisiert gemeinsame Veranstaltungen.

Eine Entwicklung, die die 58-Jährige rückblickend als "normal" und keinesfalls störend bezeichnet. Eine Tatsache, die großen Einfluss auf ihren Charakter und ihr Leben genommen hat. Denn der ursprünglich erlernte Beruf als Einzelhandelskauffrau war für die Spiegelauerin nur Mittel zum Zweck, um den Familienbetrieb zunächst weiterführen zu können. Ihre berufliche wie persönliche Erfüllung fand Gabi Neumann-Beiler schließlich in Folge einer Aneinanderreihung schicksalhafter Umständen. Die Frühjahrssynode 1982 erlaubte auch Frauen die Ausübung eines evangelischen Priesteramtes. Die große Chance für die damals junge Frau, ihre Leidenschaft zur Profession zu machen.

"Ich habe mich natürlich gleich beworben"

"Ich habe mich natürlich gleich beworben - und wurde als eine von sieben Frauen bayernweit genommen." In Rummelsberg bei Nürnberg absolvierte sie daraufhin eine fünfjährige Ausbildung zur Diakonin - ähnlich dem Priesterseminar der katholischen Kirche. Das gemeinsame Leben in einem Haus, feste Andachtszeiten, ein starkes Miteinander - im Rahmen jener "geistlichen Dienstgemeinschaft" fühlte sich Gabi Neumann-Beiler von Beginn an wohl. Während dieser Zeit in Franken lernte die Waidlerin auch ihren späteren Mann Hermann Beiler, einen Diplom-Supervisor, kennen, mit dem sie nach der Ausbildung in ihre Heimat zurückkehrte.

Dass die Diakonin irgendwann wieder im Bayerischen Wald leben will, stand für sie immer fest. Dass es allerdings so schnell gehen würde, war einer Krankheit ihres Vaters geschuldet. "Gemeinsam mit meinem Mann habe ich dann den Dorfladen betrieben und ihn nach und nach zu einem Spiel- und Sportgeschäft umgebaut, bevor wir ihn aus wirtschaftlichen Grünen leider schließen mussten. Nebenbei habe ich als Diakonin gearbeitet, ehe ich in der evangelischen Kirche eine Vollzeit-Stelle übernehmen konnte", schildert sie weitere wichtige Eckpunkte ihrer Biografie. Seit der Jahrtausendwende ist sie als Diakonin der Gemeinde Grafenau tätig und in diesem Rahmen für die Außenstelle Spiegelau zuständig.