Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Alfred Fisch, Wirt des Gasthaus Waldeck

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Vom Wald das Beste: Alfred Fisch, Wirt des Gasthaus Waldeck

Schönbrunn. Gedrückte Stimmung in Schönbrunn am Lusen. Den Bewohnern des Ortes in der Gemeinde Hohenau will derzeit einfach kein Lächeln über die Lippen huschen. Im Gegenteil. Die Schönbrunner hadern mit der Situation, wollen das Geschehene nicht so recht hinnehmen. Grund für diesen unguten Zustand ist jedoch kein tragischer Unfall oder das Ende eines großen Arbeitgebers in der Region.

Die Ursache für jene harten Tage im Dorf ist Alfred "Freddy" Fisch. Genauer gesagt: dessen körperlicher Zustand. Beim Rumtollen mit dem Enkel hat sich der 56-Jährige die Achillessehne gerissen. Die Folge: Er und seine Frau Andrea mussten krankheitsbedingt das Gasthaus „Waldeck“ - besser bekannt unter dem Namen "Fischei" - vorübergehend schließen. Eine mittlere Katastrophe.

Das bestürzende Moment liegt jedoch nicht darin begründet, dass die Bewohner des Dorfes in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald ohne Alkohol nicht leben könnten - und deshalb mit zittrigen Händen darauf warten würden, bis Freddy Fisch seine urige, etwas in der Jahre gekommene, aber gerade deshalb so einzigartige Gaststube wiederöffnet. Mehr als das Bier oder den Schnaps vermissen die Schönbrunner die Geselligkeit und die Gemütlichkeit beim "Fischei", in dessen Räumlichkeiten das oft beschworene "Wohnzimmer Wirtshaus" seit jeher Realität ist.

Das oft beschworene "Wohnzimmer Wirtshaus" ist hier seit jeher Realtität

In Zeiten, in denen der Gang zum örtlichen Wirt und das damit verbundene Austauschen von wichtigen und weniger wichtigen Neuigkeiten am Stammtisch immer mehr von der Bildfläche eines typischen Waidler-Dorfes verschwindet, stellt das Gasthaus Waldeck eine geradezu erhebende Insel der Wirtshaus-Seligen dar.

Warum genau Schönbrunn gegen den Wirtshaus-Sterben-Strom schwimmt und dessen Einwohner beständig und in großer Zahl ins Wirtshaus strömen, kann sich selbst Freddy Fisch nicht so recht erklären. Nicht nur bei ihm ist die Gaststätte regelmäßig voll, sondern auch beim zweiten Wirtshaus im Ort, dem „Dorfkriagl“ von Andreas Pertler, mit dem die Familie Fisch – trotz einer nicht von der Hand zu weisender Konkurrenzsituation - einen sehr guten Kontakt pflegt und häufig bei größeren Festlichkeiten zusammenarbeitet. "Manchmal habe ich das Gefühl, als wenn uns die Schönbrunner helfen möchten - und uns deshalb besuchen. Sie möchten, dass beide Wirtshäuser bestehen bleiben", versucht Alfred Fisch das Schönbrunner Wirtshausphänomen in Worte zu fassen.

Erfolgsgeheimnis hin oder her - das Gasthaus Waldeck brummt. Außer am Ruhetag (Dienstag) finden sich fast pausenlos Gäste am Stammtisch bzw. in der Gaststube ein, um ein frisches Bier zu genießen und sich über Gott und die Welt auszutauschen. Oftmals von 10 Uhr morgens an bis auch schon mal zum Anbruch des darauffolgenden Tages wird beim Fischei gekartelt, gedartet, gesungen, musiziert, getrunken und gegessen.

"Dann blüht er richtig auf."

Mittendrin statt nur dabei: Der Wird, da Fischei. "Freddy lebt das Wirtshaus. Er liebt die Gesellschaft und ist ein Mensch, der für jeden Spaß zu haben ist", beschreibt Andrea Fisch ihren Mann. "Je voller die Gaststube, desto wohler fühlt er sich. Dann blüht er richtig auf."
Das klischeehafte Bild eines Wirtes, der selbst sein bester Kunde ist, erfüllt Freddy Fisch dabei jedoch nicht - besser gesagt: nicht mehr. "Da bin ich ganz ehrlich und stehe dazu: Ich war Alkoholiker", blickt der heute 56-Jährige auf ein dunkles Kapitel seines Lebens zurück.

Um die Jahrtausendwende bestimmten Bier und Schnaps sein Leben - nicht nur, weil er als Gastronom den „Sprit“ verkaufte, sondern auch, weil er täglich Unmengen davon konsumierte. "Ich war das typische Beispiel für einen Wirt und habe immer mit meinen Gästen mitgetrunken - von früh morgens bis spät abends." Seine Alkoholsucht führte soweit, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Die Ärzte rieten ihn zu einem Lebenswandel - und empfahlen ihm einen Wechsel des Umfelds.

Erst mit etwas Abstand realisierte Alfred Fisch damals, dass jener ärztliche Rat auch beinhaltete, sein geliebtes Wirtshaus zu schließen - hat er doch im Umgang mit seinen Gästen täglich mit der Droge Alkohol zu tun. Für den Schönbrunner war sofort klar: Entzug - ja, Schließung des Gasthauses Waldeck - nein. Aus diesem Grund entschloss er sich dazu, den Abschied von Bier, Schnaps und Wein in die eigenen Hände zu nehmen.

"Merke ich, dass es einer a bissal übertreibt, rede ich ihn darauf an."

"Ja, der Entzug war schon heftig. Mir ging es richtig schlecht." Doch sein Ehrgeiz und sein Durchhaltevermögen zahlten sich aus. Alfred Fisch trieb den „bösen Geist“ aus ihm heraus – er ist seit nunmehr 18 Jahren abstinent. "Meine Geschichte ist bekannt und wird respektiert. Die Leute akzeptieren  heute, dass ich nicht mal mehr ein kleines Bier trinke."
Darauf angesprochen, wie er als "trockener Alkoholiker“ damit umgeht, dass er als Wirt auf Einnahmen durch den Verkauf von Alkohol angewiesen ist, zeigt er sich realistisch. "Klar, das ist meine Arbeit", betont er. "Merke ich, dass es einer a bissal übertreibt, rede ich ihn darauf an."

Er weiß, wovon er spricht. Irgendwie macht seine frühere Alkoholabhängigkeit Freddy Fisch zu einem noch glaubwürdigeren Menschen - und Wirt. Schlechte Erfahrungen prägen nunmal. Schlechte Erfahrungen rücken die wesentlichen Dinge wieder mehr in den Mittelpunkt. Und zu diesen zählen für ihn – neben seiner Frau Andrea, mit der er seit 2003 verheiratet ist – vor allem sein Wirtshaus und seine Gäste.
Eine Einstellung, die er, wie er sagt, von seiner Mutter übernommen hat, deren größter Traum es war, ein eigenes Wirtshaus zu betreiben. Deshalb bauten die Eltern in den 60er Jahren das Einfamilienhaus um, errichteten eine Gaststube und eine den Anforderungen entsprechende Küche. "Bereits als kleiner Bub habe ich mitgeholfen, wenn größere Festlichkeiten stattgefunden haben. Das war einfach so", erinnert sich Freddy Fisch.

Zunächst, nach erfolgreicher Schulzeit, absolvierte er eine Ausbildung zum Glasarbeiter in Riedlhütte. Spätestens nach dem Tod des Vaters war jedoch klar, wohin sein beruflicher Weg ihn führen würde – direkt in das Gasthaus Waldeck, dessen Name übrigens eine Erfindung von Fisch senior ist. "Es stand sehr bald fest, dass ich den Familienbetrieb übernehmen werde." Punkt. Aus.

Freddy ist einfach der geborene Wirt

Seit 1987 ist Alfred Fisch nun als Wirt im Schönbrunner "Gloasscheamviadl" tätig - aus Leidenschaft. Seine Ausbildung: Learning-by-doing sowie viele wertvolle Tipps von den Eltern. Hinzu kommt ein gewisses Talent. "Freddy ist einfach der geborene Wirt", stellt seine Frau Andrea mit einer überzeugenden Art fest, die wenig Widerspruch zulässt. Freddys Meinung nach ist für einen Gastronomen nicht nur das betriebswirtschaftliche  Knowhow ausschlaggebend, sondern vor allem ein Gespür für die Menschen.

Er weiß, wann er sich einzumischen hat. Er weiß, bei welchen Themen er lieber weghört. Er weiß auch, wenn trotz ausgiebiger Partystimmung in den Morgenstunden ein dezenter Hinweis in Sachen Ruhestörung nötig ist. "Wenn am Stammtisch politisiert wird, diskutier ich lieber nicht mit", erzählt Freddy Fisch und schmunzelt. "Nicht, dass ich mir noch Feinde mache und meine Gäste verprelle." Als "alter Beichtvater", wie sich der 56-Jährige bezeichnet, erfährt er auch so manches private Problem seiner Stammtischler. Und auch hier ist Feingefühl oftmals Gold wert: "Ich kann nur Ratschläge geben. Helfen kann ich keinem. Und manchmal muss ich einfach die Schnauze halten."

Für sein Fingerspitzengefühl ist Freddy Fisch bekannt. Für seine Empathie wird er in seinem Heimatort geschätzt und verehrt. Diese zwischenmenschlichen Fähigkeiten dürften einer der Hauptgründe dafür sein, dass "da Fischei" so gut besucht ist. Diese Charaktereigenschaften vermissen die Schönbrunner jedoch derzeit - weil das Gasthaus Waldeck aus bekanntem Grunde geschlossen hat.

Doch nicht nur die Lusen-Anrainer - darunter viele Stammtische wie die Ruamzuzla, Forever 94 sowie Vereine wie die DJK-SG Schönbrunn oder die Feuerwehr - haben darunter zu leiden - auch Freddy Fisch selbst leidet. Seine Frau Andrea meint dazu: "Haben wir geschlossen, geht es ihm einfach nicht gut. Er is hoid einfach durch und durch a Wirt."