Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Musiker und Woidliebhaber Balboo

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Musiker und Woidliebhaber Balboo

Spiegelau. Mehr als 2.000 Mal ist er bereits auf den Gipfel des Lusens gestiegen. 50 bis 60 Mal pro Jahr besucht er im Schnitt „seinen“ Hausberg. Nach dem Griechenland-Urlaub zieht es den zwei Meter großen Hünen als erstes hinauf auf 1.373 Meter. Meist geht er frühmorgens los, weil da noch nicht so viele Leute unterwegs sind.

Dann kann er nach einem Auftritt oder einer kleineren Auslandstour wieder zu sich selbst finden, zur Ruhe kommen und Energie tanken. Er kann seinem Geist und seiner Kreativität den nötigen Freiraum geben. Musiker Balboo Bojko aus Spiegelau in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald ist ein offener und vielseitiger Waidler, ein Gaudibursch, der gerne außergewöhnliche Sachen macht. Der 49-Jährige sagt mit Überzeugung: „Ich bin stolz auf unsere Gegend.“

Musik, Kunst und Kultur bestimmen seit jeher das Leben von Balboo Bojko, dessen eigentlicher Vorname Christian ist. Sein Spitzname „Balboo“ geht dabei auf seine Zeit als Torwart im Fußball-Team des TSV Klingenbrunn zurück: Bei einem Spiel wehrte er einmal gleich mehrere Elfer ab, worauf ihn seine Kameraden ehrfürchtig „Balbao“ tauften – frei nach dem behänden Filmboxer aus der Rocky-Reihe. Das „a“ vor dem „o“ ist dann irgendwann aufgrund des übermäßigen Alkoholgenusses anlässlich der Siegesfeier abhanden gekommen. Der Fußball ging, der Künstlername blieb. Und der einstige Goalie hat sich zum Profi-Musiker entwickelt, der viel in der Welt rumgekommen ist.

Der Fussball ging, der Künstlername blieb.

„Ich habe eineinhalb Jahre in Wien und drei Jahre in Regensburg gelebt, hatte Auftritte in Russland, Weißrussland, Ukraine, Tschechien, Österreich, Spanien, Schweiz und vielen weiteren Ländern.“ Bojko kennt Musiker aus der ganzen Welt, zu so manchem hat er nach wie vor guten Kontakt. Ein großes, musikalisches Netzwerk, das er sich da im Laufe der Zeit aufgebaut hat. „Es ist natürlich schön, im Ausland Musik zu machen und Leute kennenzulernen – doch wenn ich wohin komme, erzähle ich auch immer, wie wunderbar es bei uns dahoam im Bayerischen Wald ist.“ Seine Musikerkollegen entführt er, wenn sie ihn dann besuchen kommen, mindestens einmal auf den Lusen.

Die Berge begleiteten ihn nahezu sein ganzes Leben lang. Schon als kleiner Bub ist er mit seinem Vater, der aus Galizien stammt und nach dem Zweiten Weltkrieg in Spiegelau landete, auf die Gipfel des Bayerischen Waldes gewandert. Später zog es ihn auch ins benachbarte Österreich, in die Alpen. „Immer dann, wenn ich mehr Zeit zur Verfügung habe, mache ich größere Touren, etwa vom Falkenstein auf den Rachel und dann hinüber zum – wie könnte es auch anders sein - Lusen.“ Im Herbst macht sich der immer noch fitte Fast-Fünziger dann meist zu den Schachten auf, den höher gelegenen Weidewiesen des Bayerischen Waldes. Der „Verlorene Schachten“, sieben Kilometer östlich von Frauenau, zählt seit jeher zu seinen Lieblingszielen.

Die Liebe zur Musik entdeckte Balboo ebenfalls bereits in jungen Jahren. Auf Weihnachtsmärkten hatte er seinem Publikum den Schneewalzer auf dem Akkordeon vorgespielt. Eine Beschäftigung, die ihn schnell langweilte – weshalb er sich kurzerhand dazu entschied auf Bass umzusatteln. Dass es einige Jahre später einmal zu einer Karriere als Musiker reichen könnte, stand zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen. Nach dem Wunsch der Eltern sollte er einen anständigen Beruf ergreifen. Als er mit der Schule fertig war, absolvierte er daher eine Lehre zum Heizungsbauer, holte die Mittlere Reife nach und landete schließlich beim Zoll.

"Wir waren damals nicht gut, aber laut."

Doch die Behörde befand, dass seine Haare zu lang seien. Balboo war zu der Zeit schwer Heavy-Metal-begeistert, seine Haarpracht reichte bis über die Schultern. Ein Umstand, dem man dem Glatzkopf so ganz und gar nicht mehr ansieht. „Vielleicht sollte ich es da heute noch einmal probieren“, sagt er mit einem Schmunzeln und reibt sich übers blanke Haupt. Sich selbst nimmt er nicht allzu ernst. Spaß hat er schon immer verstanden.

„Wir waren damals nicht gut, aber laut“, berichtet Balboo Bojko, wenn er sich an seine Heavy-Metal-Zeit erinnert, die von muffigen Hobby-Keller-Sessions und kleineren Gigs im Woid geprägt waren. 1992 kam dann der erste Durchbruch: Als Bassist half er bei einem Jazz-Konzert aus und trat mit Thorsten Skringer, dem Saxophonisten der einstigen Stefan-Raab-Band, auf. Jazz und Blues zählten seitdem zu seinen Steckenpferden.

Doch  Balboos Weg war nicht nur von Momenten des Glücks geprägt. Nach einer Party mit Freunden im Jugendcafé Zwiesel wurde er auf dem Heimweg von einem Kleinbus angefahren, sein Körper war daraufhin halbseitig gelähmt. In der Folge hatte er viele Therapien und Krankenhausaufenthalte zu überstehen. Mit dem Geld von der Versicherung beschloss er, gemeinsam mit einem Kumpel in Wien die amerikanische Musikschule für Jazz zu besuchen.

Einen erneuten Tiefschlag hatte der Spiegelauer ein paar Jahre später zu verkraften. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Schule und der damit verbundenen Rückkehr in den Bayerwald wurde ihm mitgeteilt, dass sein Diplom in Deutschland nicht anerkannt werde. Entmutigen ließ er sich dadurch jedoch nicht - und begann ein Studium am Music College in Regensburg. Nach bestandener Abschlussprüfung durfte er sich schließlich als staatlicher Musiklehrer bezeichnen. 

Vor gut 15 Jahren hatte Balboo Bojko sich schließlich mit einer eigenen Musikschule in die Selbständigkeit begeben: Balboo’s Music Garden gehört seitdem zu einer festen Institution im Bayerischen Wald, die bereits viele gute Musiktalente auf ihrem Weg begleitete. Trotz so mancher Schwierigkeit hatte er schließlich sein Ziel, Profi-Musiker zu werden und davon leben zu können, erreicht.
Neben der Musik ist er seit mehr als zehn Jahren als Waldführer im Nationalpark aktiv, weiht Urlaubsgäste wie Einheimische in die Geheimnisse und Schönheiten dieses herrlichen Landstrichs ein.

Die Abwechslung macht's in Balboos Leben.

Ihn interessiert nahezu alles, was mit dem Bayerischen Wald und seiner Natur zu tun hat. Und selbst Vorträge internationaler Experten über die Verständigung von Borkenkäfern nimmt Balboo Bojko zum Anlass, um den ungeliebten Forstschädling ganz kreativ und auf seine ganz eigene Weise in sein musikalisches Schaffen einfließen zu lassen: etwa mit dem Bark-Beetle Rhythm & Blues. „Das wäre wieder mal eine Spinnerei à la Balboo“, sagt er und lacht. 

Die Abwechslung macht’s in Balboos Leben: Mal sitzt er bei einer hochoffiziellen Eröffnungsfeier mit Anzug und Fliege am Klavier, mal trommelt er locker-lässig gemeinsam mit Hotelgästen die Weiten Afrikas herbei - und mal gondelt er mit seiner Band „Manda“ durch die Lande und verschreibt sich ganz dem Tour-Dasein.

Trotz all der Weltenbummlerei wird er seine Heimat, den Bayerischen Wald, nicht vergessen.

Schafkopf, ein urbayerisches Kartenspiel, kann man von ihm übrigens auch lernen. Balboo, der mit sechs Jahren bei der wöchentlichen Schafkopf-Runde im Hause Bojko seinem Vater über die Schulter geschaut hatte, lehrt seit fünf Jahren im Rahmen eines vhs-Kurses interessierten Teilnehmern dieses kurzweilige Spiel. Meist sind’s Urlaubsgäste, die daran teilnehmen, sagt er. „Danach gibt’s den Praxistest im Wirtshaus.“

Es geht ihm um einen gesunden Mittelweg zwischen Action und Erholung. Viel Reisen und viele Konzerte, neue Projekte und neue Pläne auf der einen Seite. Durchschnaufen und Relaxen auf der anderen. Denn der Jüngste ist er schließlich auch nicht mehr, wie er offen zugibt. „Mit 20 hab ich jeden Tag Musik gemacht. Heutzutage muss ich schon mal wegen einer Kehlkopfentzündung vom vielen Singen auf die Bremse treten.“ 
Sein Traum: Einmal im Leben mit Band in der Hamburger Elbphilharmonie vor vollem Haus auftreten und das Publikum mit seiner Musik begeistern. Und im Anschluss dieses Erlebnis freilich bei einem Bierchen auf dem Lusen noch einmal so richtig schön sacken lassen. Denn eines steht fest: Trotz all der Weltenbummlerei wird er seine Heimat, den Bayerischen Wald, nicht vergessen.