Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
WoidG´sicht: Julia und Steffen Lorenz

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WoidG´sicht: Julia und Steffen Lorenz

„Es ist ein komplett anderes Leben, als wir es in München hatten“, beschreibt Julia ihren Alltag als Campingplatz-Eigentümerin.

Die frühere Marketingmanagerin hat es gemeinsam mit ihrem Mann zurück in die Heimat gezogen. Nun sind die beiden stolze Besitzer des "Anderswo Camp" in Finsterau.
Im Interview erzählen die beiden von ihrem "neuen" Leben und den Plänen die sie mit dem Campingplatz haben.

Aus der Großstadt München mitten hinein in die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald: Diesen Schritt haben Julia und Steffen Lorenz gewagt. Am Rande des Schutzgebiets, in Finsterau, tief drinnen im Woid, haben sie sich einen Campingplatz gekauft. Aus einer Marketingmanagerin und einem Grafikdesigner wurden so Verwalter und Gestalter des 

Anderswo Camp.

 „Hier liegt eine Liste, mit der ihr euch Brot und Semmeln vorbestellen könnt“, erklärt Steffen Lorenz einem Urlauberpaar in fließendem Englisch. Eigentlich ist gerade Mittagspause und die Rezeption des Campingplatzes nicht besetzt. Doch Steffen ist quasi rund um die Uhr im Einsatz, seit er hier gemeinsam mit seiner Frau Julia die Geschäfte führt. Die Gäste freut's - und bedanken sich herzlich.

Gemütlich ist der Empfangsbereich eingerichtet: Eine Ledercouch sowie Bücher und Pflanzen sorgen dafür, dass man sich sofort wie zu Hause fühlt. Und das, obwohl Julia und Steffen den Raum nur vorübergehend nutzen, denn: Nebenan entsteht die neue Rezeption. Sie sollte eigentlich längst fertig sein. Aber wer das Tagesgeschäft zu schultern hat, draußen auf dem Platz jede Menge erledigen und nachmittags dann die beiden Kinder Noah (4) und Luca (1) von der Tagesmutter abholen muss, der kann Termine nicht immer so einhalten, wie man sich das vorgenommen hat. „Es ist ein komplett anderes Leben, als wir es in München hatten“, beschreibt Julia ihren Alltag als Campingplatz-Eigentümerin. „Wir machen hier von der Buchhaltung bis zur Gartenarbeit alles selbst. Insgesamt ist es eine schöne Mischung, viel abwechslungsreicher als den ganzen Tag am Computer zu sitzen.“ 

Julia war Marketingmanagerin in einer Münchner Werbeagentur. Zuvor lebte sie in Regensburg und Madrid. Aufgewachsen ist die 38-Jährige aber in Schönberg im Bayerischen Wald. Der Umzug nach Finsterau stellt somit eine Rückkehr in ihre Heimatregion dar. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal in den Woid zurückkomme“, sagt sie und lacht. „Aber die Lebensumstände haben sich geändert - vor allem, wenn man Kinder hat, erkennt man den Mehrwert und den Reiz der Natur.“

Der vierjährige Noah schnappt sich sein Laufrad und flitzt damit eine Runde übers Gelände. Er stoppt bei den Heidelbeerbüschen. „Guck mal, die sind schon reif“, ruft er strahlend seiner Mutter zu. Heute sind die Kinder nicht in der Tageseinrichtung, da diese einen Schließtag hat. Im Campingplatzalltag ist das kein größeres Problem. „Hier können wir die Tür aufmachen und die Kinder einfach im Grünen spielen lassen“, sagt Julia. Etwas, das sie in ihrer eigenen Kindheit geliebt hat - und das jetzt auch ihre Kinder genießen dürfen.

Steffen ist auf dem Campingplatz gerade damit beschäftigt, Äste abzuschneiden, damit auch größere Wohnmobile ohne Probleme durchkommen. Eine Arbeit, die er zuvor in der Großstadt nicht gemacht hat: „Vor allem handwerklich muss ich jetzt oft aus der Komfortzone raus“, gibt er zu. Bevor er hierher gekommen ist, hatte er Werkzeuge wie Motorsäge oder Flex noch nie in der Hand gehalten. Nun heißt es: Learning by doing. Steffen arbeitete als Grafikdesigner zuletzt in derselben Agentur wie seine Frau Julia. 

„Für mich ist es hier total cool“, schwärmt der 45-Jährige. 

Die Renovierungsarbeiten im Haupthaus erledigt er ebenfalls zu einem großen Teil selbst – und mit großer Begeisterung. „Nach 20 Jahren in der Werbebranche kam es mir immer mehr so vor, als ob ich auf der Stelle trete“, erzählt er. Hätte er sich weiterentwickeln wollen in seinem Job, hätte er mehr Managementaufgaben übernehmen müssen und gleichzeitig weniger kreativ arbeiten können.

Auf seinem eigenen Campingplatz, ist das anders: Hier kann er gestalten und verwalten, selbst bestimmen, wohin es gehen soll, was er erreichen will. Der Traum davon entstand während der Corona-Pandemie: Julia und Steffen überlegten, wie sie aus ihrem Alltag ausbrechen, was sie machen könnten. Schließlich entdeckten sie den Campingplatz in Finsterau, der zum Verkauf stand, und beschlossen: Den wollen wir haben und nach unseren Vorstellungen gestalten. „Wir sind selbst viel in der Welt rumgekommen, haben uns gemeinsam ein Jahr Auszeit genommen, um zu reisen“, erzählt Julia. „Davon haben wir jede Menge Eindrücke und Ideen mit hierher in unser eigenes Camp genommen.“ Die schönsten Erfahrungen machten sie, als sie irgendwo auf der Welt Orte entdeckten, wo man zusammenfindet, ins Gespräch kommt, neue Leute kennenlernt: „Da entstehen besondere Erlebnisse.“ Einen solchen Ort möchten sie in Finsterau auch schaffen.

Lagerfeuerkonzerte, Kultur auf dem Platz, ein kleiner Laden im Haupthaus – die Pläne, die Julia und Steffen nach und nach umsetzen wollen, sind vielfältig.  Für die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ihnen gefällt und die eigenen Visionen zu realisieren, haben die beiden einiges aufgegeben: sicherer Job, Wohnung, Erspartes. „Wir hatten schon des Öfteren Angst“, gibt Steffen zu. Mittlerweile läuft das Geschäft jedoch, der Platz ist gut gefüllt, die Gäste kommen aus nah und fern ins „Anderswo Camp“.

Auf dem Campingplatz ist in den vergangenen zwei Jahren bereits enorm viel passiert: Die Stellplätze für Wohnmobile, Wohnwagen und Zelte sind einladend arrangiert und so in die Natur eingebettet worden, dass man fast den Eindruck bekommt, wild auf einer Wiese zu übernachten. Ein Campervan steht am Rand des Geländes, versteckt hinter Fichten und Buchen. Nur die Zufahrt zu diesem Stellplatz verrät, dass man auch dort sein Zelt aufschlagen oder sein Wohnmobil parken darf. Das Naturfeeling hat allerdings auch Komfort zu bieten: Toiletten und Duschmöglichkeiten sind frisch renoviert, hell und modern gestaltet. Auch hier lautet das Motto: „Into the Wild“, mittendrin in der Natur - mit viel Holz und Duschvorhängen samt Waldmotiven.

Bei allem, was Julia und Steffen auf dem Campingplatz umsetzen, ist ihnen eines besonders wichtig: Nachhaltigkeit. Sie haben an vielen Stellen darauf geachtet, ökologische, müll- und wassersparende Lösungen zu finden, Ökostrom selbst zu erzeugen und zu nutzen, ihre Gäste dazu anzuregen, den ÖPNV zu nutzen. All diese Mühen haben sich gelohnt: Das „Anderswo“ hat das EU-Ecolabel erhalten, darf sich nun als zertifiziert nachhaltiger Campingplatz betiteln.

„Wir kommen mit Sicherheit wieder, ist echt ein toller Platz“, verabschiedet sich ein Gast von Julia und Steffen. Mit Dachzelt und kleinem Wohnwagen hat er für zwei Nächte mit seiner Familie Zwischenstation im „Anderswo“ gemacht, nun geht es zurück nach Kassel. Der Camper entspricht der Zielgruppe: Menschen, die im Urlaub viel unterwegs sein und ihre Tage aktiv mit Ausflügen, Wanderungen und Sport gestalten wollen - das sind diejenigen Leute, die nach Finsterau kommen und es genießen, irgendwo im Nirgendwo zu sein und dennoch etliche Möglichkeiten haben, etwas zu erleben.

„Die Lage hier oben ist einzigartig“, schwärmt Julia auch nach zweijährigem Dasein als Campingplatz-Verwalterin. Sie und Steffen hatten sich sofort in das Gelände verliebt, als sie es das erste Mal besichtigt haben. „Mit dem Nationalpark und dem angrenzenden Šumava gibt es hier unmittelbar neben dem Areal eine so unendlich schöne, wilde Natur.“

Diese will Steffen seinen Gästen und allen anderen Interessierten künftig noch näher bringen: Er hat eine Ausbildung zum Nationalpark-Waldführer absolviert. Fünf Wochen lang lernte er dafür alles, was mit dem Wald und dem Schutzgebiet zu tun hat. „Ich habe mich gefühlt, als wäre ich wieder an der Uni“, berichtet er mit einem Schmunzeln. „Sehr interessant, was man da über Geologie, Wald-Dynamiken, Biodiversität, aber auch Naturethik und Philosophie erfährt.“ Nun ist er Experte für den Nationalpark Bayerischer Wald und damit endgültig angekommen in seinem neuen Zuhause in Finsterau, mitten in der Ferienregion.

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