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WoidG´sicht: Aaron Adam

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WoidG´sicht: Aaron Adam

Sechs Zentiliter Vodka, zwei Zentiliter Vanille-Sirup, zwei Zentiliter Kokos-Sirup, ein Schuss Maracuja-Saft, hinzu noch etwas Sahne. Dann alles in den Shaker, Eiswürfel rein, gut durchgemixt - und im Anschluss geschmeidig aus dem Handgelenk ins ansprechende Glas gegossen. Eine Kirsche, Zitrone, Limette oder Orange oben drauf drapiert - und fertig ist die Cocktail-Kreation. Jedes Getränk ein Kunstwerk für sich. Echte Handarbeit. Made im Bayerwald. "Wir könnten dir stundenlang dabei zuschauen" - ein Satz, den Aaron Adam, Inhaber und Betreiber der "Ädäm's"-Cocktailbar in Frauenau, häufig von seinen Gästen gesagt bekommt.

Doch in der Rolle des Alleinunterhalters sieht er sich so ganz und gar nicht. Zumindest nicht bewusst. "Ich mache keine einstudierten Scherze oder Einlagen - ich bin da eher der spontane Typ, der mal einen lustigen Spruch raushaut", berichtet der 34-Jährige und schmunzelt verschmitzt. Kleine Sticheleien sind sein Ding - insbesondere gegenüber Kunden, bei denen er weiß, "dass sie's auch vertragen". Aber als Showman hinterm Tresen, wie es so vielen Barkeepern und Cocktail-Mixern nachgesagt wird, würde er sich nicht bezeichnen wollen.

Die Rolle des Zuhörers scheint ihm da schon eher auf den Leib geschneidert zu sein. Wenn ihm seine Besucher, die sich direkt auf einem der Barhocker am Tresen vor ihm niederlassen und von diesem oder jenem berichten, während er einen Mai-Tai, Mojito oder Moscow Mule zubereitet, hat er meist ein offenes Ohr für sie. Wildfremde, die ihm ihre Probleme offenlegen, sind dennoch die große Ausnahme. In der Regel gibt's Smalltalk - schon allein deshalb, weil er in seinem Lokal häufig viel zu tun hat.

"Ich konnte schon immer gut zuhören", behauptet er von sich selbst.

Aaron Adam, der weder verwandt noch verschwägert ist mit dem ehemaligen Regener Landrat, stammt aus dem Frauenauer Ortsteil Flanitz. Das heißt: Eigentlich hat er seine Wurzeln in der ehemaligen DDR. In Schwedt an der Oder in Brandenburg ist er noch vor der Wende zur Welt gekommen. Nach dem Fall der Mauer, im Alter von drei Jahren, zog es ihn mit seinen Eltern in den Bayerischen Wald. In der "Au" besuchte er den Kindergarten und die Grundschule, danach ging's nach Zwiesel, wo er die Mittlere Reife absolvierte. In der Glasstadt ist er derzeit auch noch mit seiner Frau Lisa, die halbtags im Krankenhaus arbeitet, und dem gemeinsamen fünfjährigen Sohn wohnhaft. Doch schon in ein paar Monaten, wenn das Eigenheim fertiggestellt ist, wird er dort leben, wo sich auch sein derzeitiger Arbeitsplatz befindet.

Nach der Schule hat Aaron Adam im Hotel St. Florian seine dreijährige Ausbildung zum Hotelfachmann begonnen. Parallel dazu ging's für ihn nach Viechtach in die Hotelberufsschule. "In der Lehrzeit hab ich gemerkt, dass mir der Barservice besonders gut liegt", erinnert sich der Mann mit dem Vollbart und grinst. Sein erstes Cocktail-Buch bekam er zu seinem 16. Geburtstag geschenkt. Die private Hausbar, in der er sich neben dem Job gerne nach Feierabend ausprobierte, wuchs von da an stetig.

"Irgendwann war für mich klar: Das taugt mir, in dem Bereich möchte ich bleiben. Hier kann ich die Wünsche des Gastes direkt aufnehmen, sie verarbeiten und wieder an ihn zurückreichen."

Nach der Lehrzeit, im Alter von 21 Jahren, führte ihn sein Weg zunächst in die Therme Erding. Im dortigen "Saunaparadies" bediente er als stellvertretender Bar-Chef das Wellness-Publikum von der Wassertheke aus. Danach ging's weiter nach München, wo er im Hotel Bayerischer Hof anheuerte und den Job des klassischen Barkeepers ausführen wollte. Doch: "Mit Cocktails war da nicht so viel geboten, ich habe im Prinzip alle Getränke, von Kaffee bis Wein, ein- und ausgeschenkt. Mein Arbeitskollege war das Bon-Gerät - das war dann nicht so meins." Die nächste Station bildete das Westin-Grand-Hotel im Arabellapark. Zweieinhalb Jahre blieb er dort und durfte in einem "super Team" viele wertvolle Erfahrungen sammeln.

Dann folgte die Zeit der Rückkehr in den Bayerwald. Aaron Adams Frau, eine gebürtige Zwieselerin, hatte ihre Ausbildung zur OP-Schwester im Münchener Rechts der Isar erfolgreich zu Ende gebracht - und er selbst konnte in den bevorstehenden Jahren nicht mehr befördert werden. "Für uns stand immer fest: Irgendwann geht's wieder hoam in den Woid - auch aufgrund der Familienplanung. Wir wollten nicht, dass unsere Kinder einmal mit der U-Bahn zur Schule fahren." Mit dem Entschluss stand ebenfalls fest, dass der Schritt in die Selbständigkeit quasi unvermeidbar war, wenn er seiner großen Leidenschaft, dem Dasein als Barkeeper, weiter nachgehen wollte. Denn in den heimischen Hotels gab es jenen Job in seiner klassischen Ausführung nicht.

Bis zur Eröffnung des "Ädäms" vergingen jedoch noch ein paar weitere Jahre. Während des Ausschauhaltens nach einer geeigneten Lokalität, die sich aufgrund der Bewohnerdichte und des Tourismusaufkommens insbesondere auf den Raum Regen und Zwiesel erstreckte, verdiente Aaron Adam den Lebensunterhalt weiterhin in der regionalen Hotellerie. "Die Suche gestaltete sich anfangs nicht so leicht, wie gedacht", blickt er heute zurück. "Einige Immobilien standen leer, waren aber mit hohen Investitionen verbunden. Oder es hat von der Optik her nicht ganz so gut gepasst." 

Eine Anzeige in der Zeitung, dass in Frauenau Räumlichkeiten eines ehemaligen Lokals zu vermieten seien, brachte dann Schwung in die Sache. Es handelte sich um das einstige "Auerer Bierfassl". Ein eher klassisches Wirtshaus mit gutbürgerlicher Küche, direkt am Bahnhof gelegen, und durchaus bekannt. Ein Haus also, das eine gewisse gastronomische Tradition vorzuweisen hatte.

"Noch früher, in den 60er und 70er Jahren, soll da einmal die Texas-Bar beheimatet gewesen sein", wie Aaron Adam in Erfahrung bringen konnte.

2015, nachdem das Lokal einige Jahre leer gestanden war, entschieden sich die Adams für den Kauf des Gebäudes. "Der erste Eindruck war sehr positiv. Die Räume samt Inventar - von der Theke über die Küche bis zu den Kühlräumen - waren gut erhalten." Doch es blieben noch einige Renovierungs- und Umbauarbeiten zu erledigen. Die Zeit drängte jedoch, da man bereits in drei Monaten eröffnen und Frauenauer Großereignisse wie den "Auerer Kirwa" mitnehmen wollte. Viele fleißige Hände packten daher mit an, um den ehrgeizigen Plan zu realisieren - und es sollte klappen: Am 15. August kamen die ersten Gäste ins Lokal. "Der erste Tag war - im Nachhinein betrachtet - furchtbar stressig und lief nicht so wie geplant", denkt Aaron Adam zurück.

 

Heute kann er lachen über den "katastrophalen" Einstieg. Die Bevölkerung wollte sogleich die neue Wirtschaft in Augenschein nehmen und strömte unaufhörlich Richtung Bahnhofsviertel. "Ich war bis drei Uhr morgens im Dauereinsatz", erinnert sich der 34-Jährige, der damals über viele Stunden hinweg den Thekenbereich aufgrund der hohen Nachfrage kaum mehr verlassen konnte. "Die Leute mussten teils 45 Minuten auf ihren Cocktail warten, weil auch wir selbst uns zunächst einmal zurecht finden mussten und mit einem derartigen Ansturm nicht gerechnet hatten." Sogar Aarons Cousine aus Frankfurt, die auf Urlaub bei der Verwandtschaft zu Gast war, musste am Spülbecken mithelfen. "Zuletzt schaute auch noch die Fußballmannschaft nach dem Training bei uns vorbei - doch wir haben's alle überstanden." 
Sein Fazit nach sieben Jahren "Ädäms" fällt jedenfalls positiv aus.
 

"Wenn's nicht angenommen worden wäre, dann gäb's uns heute nicht mehr", zeigt er sich realistisch-zufrieden.


Anfangs der Boom, dann etwas ruhigere Zeiten. "Einige meinten, dass wir den zweiten Winter nicht überleben würden", erinnert er sich. Ein kleiner Nadelstich, den er als zusätzliche Motivation betrachtete. "Ich würde lügen, wenn's nur gute Zeiten gegeben hätte hier." Die ersten beiden Jahre musste sich die Existenz des Lokals erst in der Gegend herumsprechen. "Doch wir konnten uns jedes Jahr steigern - in Sachen Umsatz, Veranstaltungen etc." 2019 bezeichnet Aaron Adam als "Top-Jahr". Dann, 2020, kam Corona - die Kurve ging freilich etwas nach unten - doch es lief den Umständen entsprechend gut. "Wir haben viel Rückhalt von den Auerern bekommen, hatten einen Cocktail-To-Go-Verkauf installiert, der gut angenommen wurde. Wir haben auch ausgeliefert."

Im Herbst und Winter kommen die meisten Besucher ins "Ädäms", berichtet der Hausherr. Auch März bis Mai ist eine gute Zeit, je nach Wetterlage. Im Sommer hingegen finden viele Festivitäten auf dem Lande statt - vom Feuerwehrfest bis zum Vereinsjubiläum. "Im Juni und Juli ist nahezu an jedem Wochenende was geboten. Da haben wir uns schon drauf eingestellt, dass im Lokal nicht so viel los ist", sagt Aaron Adam. Und wenn einmal nicht so viele Auerer zum Cocktail-Schlürfen vorbeischauen, dann kommen die Leute aus der Umgebung: aus Zwiesel, Regen, Bodenmais, Teisnach, genauso Klingenbrunn, Grafenau oder Spiegelau, wo das Ädäms als Hauptsponsor des dortigen Football-Clubs ("Bats") in Erscheinung tritt. Das Publikum ist gemischt, hauptsächlich Angehörige der Generation "U40". Die Stammkundschaft hat sich inzwischen formiert.

Zu den besonderen Schmankerln im jährlichen Event-Kalender zählt Aaron Adam neben der obligatorischen Halloween-Party, der Faschingsfeier, einem Whisky-Tasting und einem After-Kirwa-Umtrunk die sogenannten Silent-Partys ("stille Feier"). Dabei werden Kopfhörer an die Besucher verteilt, die sich dann durch verschiedene Kanäle hindurchschalten und zur Musik von drei anwesenden Live-DJs bewegen. "Da wird das Ädäms dann zur Tanzfläche umgebaut", sagt der Frauenauer und ergänzt:

"Das schaut saulustig aus, wenn der Techno-Hörer neben dem Rock-Hörer steht und abtanzt - und rundherum ist's ruhig und man kann sich angenehm unterhalten."

An Sonntagnachmittagen werden Kaffee und Kuchen kredenzt - selbstgebacken von Aarons Schwiegermutter bzw. von Frau Lisa, die sich ihre Backkünste nach dem Learning-by-doing-Prinzip selbst beigebracht hat. Exklusive Torten-Kreationen gehören dabei zu ihrem Spezialgebiet, was insbesondere auch die jüngeren Gäste im Ädäms zu schätzen wissen.

Und welcher Cocktail gehört nun zu Aaron Adams Lieblingsgetränken? Doch gewiss irgendetwas Ausgefallenes, Buntes, extrem Aufwändiges. Weit gefehlt! Es ist - ein Gin-Tonic. Also kein Cocktail, sondern ein Longdrink. "Wenn ich in einer Stadt in eine Cocktailbar gehe, bin ich zunächst einmal eher skeptisch bzgl. der Frage, was ich dort genau serviert bekomme", berichtet der 34-Jährige. "Und beim Gin-Tonic kann man nicht viel verkehrt machen." Der Longdrink-Klassiker als Grad- und Qualitätsmesser also für den misstrauischen Barkeeper? Sachen gibt's...

Einen Favoriten bei der Zubereitung hat er keinen. Gerne bestellt werden Cocktails mit Namen wie "Summertime", eine Eigenkreation mit Vanille-Likör, Erdbeer-, Zitronen- und Maracuja-Sirup. Oder der "Solero", der aus Vodka, Sahne, Vanille, Kokos und Maracuja besteht. Ebenfalls beliebt sind die sog. Tiki-Drinks wie Mai-Tai oder Zombie. Diese werden auch schon mal in außergewöhnlichen Tonbechern mit ulkigen Gesichtern und bunten Formen drauf serviert. Mal mit viel Rum, Saft, Sirup - mal ein bisschen süßer, mal ein bisschen saurer.  Und überhaupt: "Wenn du in zehn Bars gehst, bekommst du etwa acht unterschiedlich schmeckende Zombies." Klassiker wie Caipirinha und Mojito dürfen freilich nicht fehlen...

Für die Cocktail-Zubereitung ist im normalen Barbetrieb der Chef selbst zuständig. Seine Frau und ein weiterer Mitarbeiter unterstützen ihn und decken den Aufgabenbereich Küche ab. Denn auch kleinere Snacks wie Flammkuchen oder selbstgemachte Brownies sind gefragt bei der Ädäms-Kundschaft. "Mal sind wir zu dritt, wenn viele Leute erwartet werden auch schon mal zu viert oder zu fünft", erzählt Aaron Adam. Vor allem in den Sommermonaten, wenn auch die Terrasse geöffnet hat und Platz für rund 30 Gäste bietet. Im Inneren der Gastronomie können sich bis zu 65 Besucher auf gemütlichen Couchgarnituren und Sesseln sowie einladenden Bänken und Stühlen niederlassen. Ein Schwedenofen sorgt zudem für mollige Wärme und eine knisternd-behagliche Atmosphäre in den überwiegend in dunklen Holztönen gehalten Räumen, die an eine schottisch-kanadische Lodge erinnern.

Zu den besonders schönen Momenten zählt Aaron Adam diejenigen, in denen er in seiner Bar auf Leute trifft, die er schon seit Längerem nicht mehr gesehen hat. Genauso gefallen ihm Abende, an denen der Ablauf nahezu reibungslos klappt - "und die Gäste happy sind".

"Ich bekomme dann Besuch von netten Menschen an meinem Arbeitsplatz - wo gibt's das schon?"

Ein kleines Mädchen hatte sich zu ihrem Geburtstag einmal gewünscht, mit ihren Eltern ins Ädäms zu gehen, um dort einen alkoholfreien Cocktail zu trinken. "Als mir ihr Vater diese Geschichte erzählt hat, ist mir das Herz aufgegangen."