Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Holzschnitzer Werner Blöchinger

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Vom Wald das Beste: Holzschnitzer Werner Blöchinger

Altschönau. Eigentlich wollte Werner Blöchinger nur den Eingangsbereich seines Hauses überdachen. Dabei entstanden ist schlussendlich nicht nur ein Schutz vor Wind und Wetter, sondern das ganz persönliche Reich des 62-Jährigen. In Handarbeit hat er sich nämlich eine Art Atelier geschaffen. Im Untergeschoss des zweistöckigen Anbaus sind seine Werke ausgestellt, über eine schmale Wendeltreppe geht es hinauf in die Werkstatt. Dort, in einem sonnendurchfluteten Raum mit Couch und Fernseher sowie mit kleiner Werkbank und Spezialwerkzeug, befindet sich der Geburtsort seiner Figuren und Statuen. Werner Blöchinger aus Altschönau (Gmd. Neuschönau) ist Holzschnitzer. Ein Handwerk mit langer Tradition im Bayerischen Wald.

Trotz seiner filigranen Arbeit, seiner detaillierten Darstellung der Wirklichkeit, trotz seiner Kreativität, der er bei der Bearbeitung des Holzes freien Lauf lässt, sieht sich der 62-Jährige nicht unbedingt als Künstler. Vielmehr, so versichert er, sind seine Werke das Ergebnis seiner Vorstellungskraft in Verbindung mit handwerklichen Fähigkeiten, die er sich über die Jahre hinweg angeeignet hat. "Naa, a Künstler bine wiakle ned", betont er noch einmal auf eine sehr bescheidene Art und Weise. Eben so, wie es für die Menschen des Bayerischen Waldes typisch ist.

"Naa, a Künstler bine wiakle ned"

Werner Blöchinger ist ein ruhiger und sympathischer Zeitgenosse. Das wird nicht nur während des Gesprächs mit sich anschließendem Rundgang durch seine Werkstatt deutlich, sondern auch von seiner Frau Imke bestätigt. Der Altschönauer lebt für seine Leidenschaft, das Holz schnitzen - öffentlich zur Schau stellen will er seine Kreationen jedoch nur widerwillig. Im Mittelpunkt stehen - das ist nicht sein Ding. "I hab a moi a Ausstellung in da Neuschönauer Schui g‘hod. So ganz wohl war ma do ned. D‘Leid soind meine Figur‘n aschau, owa ned mi."

Werner Blöchinger wirkt nicht wie das introvertierte, etwas eigenartig anmutende Stereotyp eines Künstlers. Zunächst vermutet man angesichts seiner stämmigen Erscheinung einen eher grobschlächtigen Charakter. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Der Altschönauer ist ein feinfühliger Mensch mit großväterlichem Lachen. Er ist ein Menschenfreund. Nach seiner Ausbildung zum Bauzeichner ("Zeichnen hab i scha immer k‘hind") und seiner Zeit beim "Barras" hat er eher zufällig seinen „Traumjob“ gefunden: Postbote.
"De Stelle war ausgeschrieben - und i hab me beworben. A Oawad hab i ja braucht", erinnert sich Blöchinger ganz pragmatisch an die damaligen Umstände. Sein „Revier“ war bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren der Nachbarort St. Oswald. "Es war oafach nur schee. I ha d‘Leid kennt - und se ham mi kennt. Do is owei a Schmatz ganga."
Ab und an durfte er sogar am Mittagstisch seiner Kunden Platz nehmen. Sorgen, aber auch freudige Nachrichten erfuhr der Postbeamte dabei stets aus erster Hand.

"I bin einfach da Werner - oder da Postbot."

"Irgendwie hab i zur jeweiligen Familie g‘head, der i grod an Briaf brochd hob." Zusammengekommen sind viele, viele Begebenheiten, die Werner Blöchinger jedoch niemals preisgeben würde – Dienstgeheimnis, versteht sich. Zusammengekommen sind aber auch viele, viele Bekanntschaften, die der Pensionist noch heute pflegt. Ist er in St. Oswald, wird er immer wieder nach seinem derzeitigen Befinden gefragt. Oftmals seien die Leute auch enttäuscht, weil er nicht mehr in der gelb-schwarzen Post-Uniform erscheint. "Veij wiss‘n goa ned, wia i mit Nachnam’ hois. I bin einfach da Werner - oder da Postbot." Viele wissen auch nicht, welch künstlicheres Hobby er hat. Er selber würde damit nicht prahlen wollen - noch sind seine Werke auch noch eher unbekannt.

Bis auf wenige Ausstellungen mit überschaubaren Besuchern im direkten Umkreis seines Heimatortes Altschönau ist bisher nur seine Familie in den Genuss seiner Holzunikate gekommen. "Wenn i denen ebbs schenga kann, is‘ des des Höchste fia mi", sagt er. Seine Augen strahlen dabei. Man fühlt sich schnell wohl in seiner Nähe. Und kann sich gut vorstellen, mit ihm die ein oder andere Stunde zu ratschen – bei der ein oder andere Halbe Bier. Sein einnehmendes, gleichzeitig aber auch unaufdringliches Wesen sowie sein ansteckendes Lachen machen Werner Blöchinger auch zu einem Fels in der Brandung innerhalb seiner eigenen Familie. Seine drei Kinder und die Enkel sind gern gesehene Gäste. Zumal der 62-Jährige ihnen seine Leidenschaft zu verdanken hat:

1995 hat er von seinen Kindern ein Schnitzbesteck und einen Rohling geschenkt bekommen. Der Startschuss für einen neuen Lebensinhalt. "I ha scha vorher a weng g‘schreinert. Owa dann is richtig rund ganga." Sein erstes Werk, ein "Lausbua" mit grüner Jacke und braunem Hut, lässt er sich nach seiner Fertigstellung von einer Kunstmalerin vollenden. Ihm gefiel das Ergebnis so sehr, dass er von der traditionellen Holzbearbeitung seitdem nicht mehr los gekommen ist. Von befreundeten Waldbauern besorgt er sich regelmäßig Material, immer mehr Werkzeuge werden angeschafft, unzählige Stunden in der Werkstatt zugebracht. Das Arbeiten mit Holz ist dabei für Werner Blöchinger nicht nur eine rein handwerkliche Tätigkeit, sondern vor allem der Ausdruck seiner Liebe zur Heimat, dem Bayerischen Wald.
 

Dass ein Waidler mit dem für die Region charakteristischem Material arbeitet, ist für den 62-Jährigen selbstverständlich. Zumal er sich selbst als typischen Bewohner des Bayerwaldes sieht. Lokalpatriotismus im positiven Sinne ist bei ihm angeboren. "I bi a Oidscheenauer", betont er mehrmals. Von seiner Überzeugung für seinen Landstrich kann auch seine Frau Imke, eine gebürtige Kölnerin, berichten. Die Liebe führte sie vom Rheinland in den Bayerischen Wald. Und inzwischen hat sie sich - dank ihres Mannes - selbst zu einer überzeugten Waidlerin entwickelt. "Eigentlich müsste ich jeden Tag fünf Vaterunser beten, dass mich Werner hierher geführt hat", erklärt sie in einer Mischung aus Hochdeutsch und Dialekt - und lacht herzlich.

Die Blöchingers lieben ihre Heimat - vergessen gleichzeitig jedoch nicht, hin und wieder einen Blick über den berühmt-berüchtigten Tellerrand hinaus zu werfen. Der Altschönauer bezeichnet sich selbst als politisch interessierter Mensch, der sich für viele Themenbereiche begeistern kann. Und freilich hat er sich deshalb auch schon so manchen Gedanken über den Tourismus im Bayerischen Wald gemacht. "D'Zeitn hamd se g‘ändert. Es gibt nur na weng Leid, de Urlaubern einfach oa Zimmer anbietn‘d", ist er sich sicher. "Owa mia hama guade Hotels, de aa investieren und mit da Zeit gängand. Mia steh ma so schlecht ned do." Auch Vereinigungen wie die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW) verfolgt Werner Blöchinger durchaus kritisch hinterfragend. Er betont: "I bin überzeugt: Im Tourismus geht's nur als Gemeinschaft voran."

"Mei, des dua i einfach gern."


Wirtschaft, Tourismus, Kultur - Dinge, die Werner Blöchinger durch den Kopf schwirren, wenn er sich in seine Werkstatt zurückzieht und kreativ wird. Hat er ein neues Projekt gestartet, kann es schon mal vorkommen, dass er die folgenden Tage über mehr als 100 Stunden damit verbringt, dieses umzusetzen. Am liebsten arbeitet er dann mit weichen Hölzern wie Linde, manchmal auch mit harten Obstbaumarten - aufgrund deren einzigartiger Farbkombinationen. "Bin i selber mit an Werk zufrieden, wos manchmoi länger dauern kann, zoig es meina Frau und meina Mama. De hand meine größten Kritiker", erzählt er - und lacht. So wie  er eigentlich immer glücklich ist, wenn er in seinem selbstgeschaffenen Reich schalten und walten kann. "Mei, des dua i einfach gern."
Man glaubt es ihm aufs Wort.