Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: "Rock'n'Roll-Animal" Elmar Sammer

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Vom Wald das Beste: "Rock'n'Roll-Animal" Elmar Sammer

"Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch - und hab mich irgendwann dazu entschlossen, auch als Musiker wieder in den Bayerischen Wald zurückzukehren." Der Mann mit dem markanten Haarzopf, der rauchigen Stimme und den tiefen Furchen im Gesicht, die besonders dann zur Geltung kommen, wenn ihm ein Lächeln über die Lippen huscht, hat vor langer Zeit diese Entscheidung gefällt - und sie bis heute nicht bereut. Trotz Aussicht auf höhere Weihen in der Musikbranche. Trotz dem viel zitierten "Zeug zu mehr", das ihn womöglich bis nach ganz oben hätte bringen können. Doch Hätte-Sätze sind Elmar Sammers Sache nicht. Sein Leben findet im Jetzt statt. Hier im Woid.

Aufgewachsen ist er in Finsterau, wo der Großvater und die Großmutter einst gelebt haben und seine Familie noch heute einige Wiesen besitzt. "Hier hab ich in meiner Kindheit extrem viel Zeit verbracht", sagt der 54-Jährige, und lässt den Blick über die Waldwogen schweifen. Viele seiner Erinnerungen haben sich dort in den Bäumen versteckt. Hinter den Häusern und Büschen. Etwa die, als er sich mit seinem Cousin im Wald verlaufen hatte, auf einer Wanderung entlang des Eisernen Vorhangs.

"Dort droben, bei der Kirche, da bin ich oft gesessen und hab' geschaut." Gedankenverloren, vor seinem geistigen Auge zurückgekehrt in die Tage seiner Jugend, bezeichnet Sammer Orte wie diesen als "Urplätze". Plätze, an denen "ich gut in mich reinhören kann.  An denen ich etwas spüre, das ich kaum beschreiben kann. Das hat viel mit dem Gefühl Heimat zu tun."

Ein ganz besonderes Heimatgefühl verkörpert für den Musiklehrer ein Baum, der in den Wäldern nahe des Freilichtmuseums zu finden ist. "Hutschabam" nennt er die mit einem auffallend langen, gebogenen Ast versehene Fichte, auf der er als junger Bursch viele Stunden zugebracht hat. Sitzend. Schweigend. Schwingend. Schaukelnd. "Wenn i amoi stirb, dann mog i drob'n bo meim Hutschabam in alle Winde verstreut werden. Dass mich da Böhmwind auf'n Lusen rüberwachl'd", sagt der Freyunger mit entschlossenem Unterton, lacht, dass sich die Furchen in seinem Gesicht vertiefen, und fügt mit Nachdruck hinzu: "Das ist mit meiner Tochter fest vereinbart. Meine Asche kommt in den Böhmwind."

Erlebt und gesehen hat er schon viel im Leben. Nach dem Besuch der Berufsfachschule in Plattling zog es ihn Anfang der 80er Jahre zum Studieren an die Musikhochschule Graz in der Steiermark.
Einen Abschluss hat er nie gemacht. Nicht, weil er's nicht geschafft hätte. Sondern weil er bereits während seiner Studienzeit - wie viele seiner Kommilitonen - sein Geld als Musiker verdient hatte.
Da blieb irgendwann nicht mehr viel Zeit fürs Studium. "Aber einen fertigen Musiker gibt es ohnehin nicht", ist der Freyunger überzeugt.

Nach viereinhalb Jahren ging's dann wieder zurück in den Bayerischen Wald. Ein guter Freund hatte ihm einen Job als Lehrer an einer Musikschule vermittelt. "Ich hatte von Anfang an regelmäßig Geld verdient und auch gleich mit verschiedenen Bands angefangen - seitdem hat sich eigentlich nichts verändert", beschreibt der hochgewachsene Waidler seinen weiteren Werdegang.
Doch ganz so unspektakulär, wie er selbst die Situation schildert, ist seine Rückkehr in den Woid nicht verlaufen. Denn aus dem angestellten Musiklehrer wurde relativ schnell der Musiklehrer mit eigener Musikschule: der Modern Music School Ostbayern mit Sitz in Freyung. "Da bin ich mein eigner Chef, da redet mir keiner drein." Und das seit 1986.

Mehrere hundert Schüler hat er in den letzten 30 Jahren auf ihrem musikalischen Weg begleitet. Das Wort "Lehrer" hört er nicht so gern. Er sieht sich vielmehr als "Wegweiser", als Begleiter. Als einer, der den Leuten die musikalische Richtung zeigt, in die sie gehen können. "Ich sage: Halt! Stopp! Nicht gut! Probier's mal damit!"

Sein weiteres Lebenszentrum, mit dem er ebenfalls seit drei Jahrzehnten verbandelt ist, heißt "Landluft" - die Bayerwald-Kultband schlechthin, mit der er in diesem Jahr wieder auf Wirtshaus-Tour geht. Quasi die Mutter aller modernen Bayerwald-Bands, die sich mit eigenen Texten und Songs einen Namen gemacht hat. Sammer zufolge soll noch heuer das bereits sehnsüchtig erwartete neue Album veröffentlich werden. "Das wird ein Meilenstein", verkündet der 54-Jährige, schmunzelt verschmitzt und ergänzt geheimnisvoll: "Mit dem, was da kommt, rechnet keiner." Düsterer, härter und ungewöhnlicher als das, was man bisher von der Band kennt, wird sich das neue Material präsentieren. "Aber es ist immer noch Landluft."

"Es gibt  kein Platten-Cover von dieser Band, das nicht im Freilichtmuseum Finsterau aufgenommen worden ist", weiß der Berufsmusiker. Auch das Museum gehört zu seinen Urplätzen - "weil man hier so schön nachvollziehen kann, wie die Leute bei uns früher gelebt haben." Die Tafernwirtschaft "Ehrn", das museumseigene Wirtshaus im alten Bayerwald-Stil, suchen er und seine Lebensgefährtin in regelmäßigen Abständen auf. "Da ist es Pflicht, dass der Schweinsbraten mit Knödel auf dem Teller landet."

Danach gefragt, mit wem er in seinem Leben nochmal auf der Bühne stehen möchte, bevor der Böhmwind seine Asche in alle Himmelsrichtungen verstreut, antwortet er nach längerem Überlegen: "Mit Keith Richards." Dem legendären Gitarristen der Rolling Stones, den er als "gigantisch" bezeichnet. Ein wahres "Rock'n'Roll-Animal".

"Als Musiker stehe ich lieber auf der Bühne", gibt er offen zu und blickt dabei auf seine Fingernägel, die vom Live-Auftritt tags zuvor völlig abgewetzt sind. "Wobei das Unterrichten, wenn man die richtigen Schüler hat, auch extrem viel Spaß machen kann." Auf 60 bis 80  Gigs im Jahr kommt Sammer im Schnitt. Meist mit Landluft. Doch in den letzten beiden Jahren auch immer häufiger mit "Sammer of Love" - einer von drei Cover-Bands, in denen der Waidler mit von der Partie ist. "Und die einzige, die meinen Namen im Bandnamen trägt", wie er begeistert berichtet.

"Als Berufsmusiker ist dieser Platz vermutlich nicht der optimalste", stellt Elmar Sammer fest und blickt Richtung Lusen, seinem Hausberg. Gefolgt von einem Lächeln, die Stirn in Falten gelegt, die Grübchen hervortretend. "Aber ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, wieder hierher in den Woid zurückzukommen. Weil ich hierher gehöre und weil es mir hier taugt. Die Leute, die Landschaft, die gesamte Atmosphäre. Es ist mitunter der schönste Platz, den ich überhaupt kenne." Man glaubt ihm aufs Wort.