Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Die Zitronen Püppies

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Vom Wald das Beste: Die Zitronen Püppies

Frauenau. Es ist Anfang Mai, die Nacht ist kalt und der Woid-Sommer gefühlt noch weit entfernt. Doch im Gasthaus Gistl steht die Luft, das kleine Wirtshaus in Frauenau scheint aus allen Nähten zu platzen. Es sind 100, vielleicht 200 oder mehr Menschen gekommen, die sich jetzt vor die kleine Bühne drängen und jeden Stuhl besetzen. Der Grund: Die Zitronen Püppies stellen ihr neuestes Album vor. Und – die Band hat noch eine Überraschung im Gepäck! 

Seit mehr als zehn Jahren stehen Johannes Haslinger, Florian Seemann und Alexander Lange zusammen als Zitronen Püppies auf der Bühne. Ihr erstes Konzert spielten die drei 2006 in einem Billardclub in Niederkandelbach. Anwesend waren ein paar Stammtisch-Leute und eine Handvoll Freunde der Band. “Das war witzig”, erinnert sich Florian Seemann, “wir spielten in Bademänteln und wirkliche Begeisterungsstürme konnten wir bei den Stammgästen nicht auslösen”. Heute ist das anders: Wenn die Zitronen Püppies in ihrer Heimat auftreten, spielen sie vor vollem Haus. Grampf reden, Schmarrn erzählen und dazwischen ein paar selbstironische Herzschmerz-Lieder singen – im Bayerischen Wald sind die Zitronen Püppies längst Kult.

Auch im Mai im Gistl ist alles voll. Das Publikum jubelt, als die Band im Jägerinnen-Outfit die Bühne betritt. Alte Kleider von dunkelgrün bis sumpf-farben, ausgeliehen von Johannes Haslingers Mutter, trägt die Band. “Zwegs da Emanzipation”, so erklärt Johannes Haslinger die Kleiderwahl. Für das Woid-Publikum ist das nichts Neues – die drei waren schon als griechische Götter verkleidet oder trugen weiße Fransen-Jacken. So mancher eingefleischte Fan tut es ihnen sogar nach und erscheint als riesige Zitrone zum Konzert. Und das Neu-Publikum? Das wundert sich bestenfalls ein bisschen. 

Außerhalb des Bayerischen Waldes wunderte sich das Publikum umso häufiger über die drei Woid-Musiker. Einmal wären sie auf der Bühne vor Lachen fast gestorben, erzählt Florian Seemann: “Wir fanden unsere eigene Geschichte so lustig, wir lagen schon am Boden.” Das Publikum hat sich nur verwundert angesehen und nicht verstanden, was gerade so amüsant war. “In anderen Regionen verstehen die Leute unseren Humor manchmal nicht”, sagt Florian Seemann. “Wir mussten am Anfang erst mal verstehen, dass wir nicht zuhause sind und die Leute Insider-Geschichten nicht kapieren”, ergänzt Johannes Haslinger. 

Alle Geschichten  der Zitronen Püppies sollte man aber sowieso nicht glauben. Johannes Haslinger hatte in Regensburg vor einem reinen Studenten-Publikum schon einmal behauptet, dass er gelernter Metzger sei und acht Stunden am Tag buckelt, während Studenten auf der faulen Haut liegen. “80 Prozent haben gelacht, weil zum Glück viele Zwieseler da waren, die in Regensburg studiert haben”, erzählt der Sänger - “aber der Rest fand das echt nicht so lustig."

Alexander Lange und Johannes Haslinger wohnen mittlerweile nicht mehr im Woid, nur noch Florian Seemann hält die Stellung. Verbunden fühlen sie sich aber alle mit ihrer Heimat, der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald. Die drei treffen sich hier regelmäßig zum Proben, auch das letzte Album haben sie wieder hier aufgenommen. “Den Bayerischen Wald bekommt man irgendwie nicht aus sich raus”, sagt Florian Seemann. Die drei stehen zu ihren Wurzeln: Nicht nur der diesjährige Tour-Name “Bavarian Woods in the City” verrät die Ursprünge der Band, auch der heimische Dialekt ist Teil vieler Songs. Und ihr Humor ist ohnehin recht typisch für den Woid: ein bisschen makaber, ein bisschen schwarz - und jeder, wirklich jeder, bekommt sein Fett weg. Trotzdem betrachten die drei den Begriff “Heimat” mittlerweile als überstrapaziert: “Natürlich prägt dich deine Heimat, aber deswegen darf man ja auch immer noch kritisch damit umgehen”, sagt Johannes Haslinger. “Wir schämen uns nicht für unsere Herkunft, aber das typische Klischee bedienen wir sicher nicht”, sagt Alexander Lange. 
 

Um die Gründungsgeschichte der Zitronen Püppies ranken sich die wildesten Gerüchte. Die am wenigsten glaubhafte stimmt aber zu 100 Prozent, betont das Trio: Entstanden sei die Band nämlich 2006 an einem ziemlich überraschenden Ort. “Ich war am Friedhof in Zwiesel”, erzählt Florian Seemann, “was man halt als Jugendlicher im Bayerischen Wald so macht”, sagt er und lacht. “Und ich war auch dort. Ich hab Gräber bepflanzt”, sagt Johannes Haslinger, gelernter Gärtner, heute Fotograf. Und genau dort, auf diesem Friedhof, entschieden die beiden eine Band zu gründen. “Später haben die zwei mich gefragt, ob ich schlagzeugen will - und eigentlich hatte ich gar keinen Bock auf eine zweite Band”, sagt Alexander Lange. Doch er ließ sich überreden – und bereits bei der ersten gemeinsamen Probe entstanden fünf Songs, darunter auch einer ihrer bekanntesten: “Barfuß”, ein Lied über Füße, die aussehen wie Kartoffelpüree. 

Seit 2017 stehen die Zitronen Püppies nun beim Independent-Label Trikont unter Vertrag. Bekannte Namen wie Hans Söllner oder Kofelgschroa finden sich bei dem Giesinger Label wieder. Die Zitronen Püppies gehören jetzt auch dazu. Warum nicht schon früher? “Wir haben es nie drauf angelegt – wir waren zufrieden mit dem, was wir haben und würden ja auch heute noch vor fünf Leuten spielen”, sagt Johannes Haslinger. “Das tun wir ja sowieso”, wirft Alexander Lange lachend ein. “Ja, mit unserer Scheißegal-Einstellung sind wir in der Hinsicht mehr Punk als so manche Punkband”, erwidert Johannes Haslinger. Es sei Glück gewesen, vielleicht Zufall. Es sei alles irgendwie entstanden – so wie auch alles andere bei den Püppies.

Und was war jetzt die Überraschung des Gistl-Abends? Die Drei-Mann-Combo hat sich vermehrt: Die Zitronen Püppies sind bei Live-Auftritten ab jetzt zu viert. Fabian Weinzierl unterstützt das Trio mit Glöckchen, Luftblasen-Pistole oder sonstigem Klimbim als “the lemon orchestra”. “Er schaut ja auch verdammt gut aus”, sagt Florian Seemann - “ein Kurt Cobain-Jesus-Helge Schneider.”

Zum Ende ihrer “Bavarian Woods in the City”-Tour wird es die Vollblut-Musiker dann noch einmal in die Heimat verschlagen. Am 16. Dezember spielen die Zitronen Püppies zuhause im Jugendcafé Zwiesel ihr letztes Konzert für dieses Jahr. In welchem ausgefallenen Outfit sie dies tun werden, bleibt abzuwarten.