Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
WoidG'sichter: Braumeister Andreas Keller

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WoidG'sichter: Braumeister Andreas Keller

Im zarten Alter von 12 Jahren verschlug es den gebürtigen Schwaben zusammen mit der gesamten Familie in den Bayerischen Wald, wo er mittlerweile absolut heimisch ist.

Es ist die Gretchenfrage rund um das Nationalgetränk der Waidler schlechthin. Helles, Weizen, Pils oder vielleicht Dunkles - welche Bierart ist denn nun die beste? Und von welcher Brauerei soll das Ganze sein? Und überhaupt: Welches Gebräu ist denn nun "gut", welches "schlecht"? Während die Suche nach einer Antwort manche Stammtische schon (hitzige) Stunden gekostet hat, geht Andreas Keller diese diffizile Aufgabe pragmatisch an. "Die Geschmäcker sind unterschiedlich. Diese alte Weisheit kann ich nur bestätigen", weiß der 31-Jährige.

"Wenn ein Bier süffig ist - das heißt: wenn man sich auf eine weitere Halbe freut -, ist es gut. Ganz einfach."

Diesen Worten kann man durchaus Glauben schenken. Einerseits, weil Andreas Keller ein Experte auf diesem Gebiet ist. Andererseits, weil man wohl eine andere, subjektivere Aussage erwartet hätte. Denn der Jung-Bierkönig ist Braumeister bei der 1. Dampfbierbrauerei ("Pfeffer-Bräu") in Zwiesel. Und es wäre nur logisch, wenn er sein Produkt als das beste überhaupt anpreisen würde. Doch dem ist nicht so. Was vor allem daran liegt, dass sich der Bierkenner zu sehr mit seinem Fachgebiet beschäftigt. Und der berühmt-berüchtigte Blick über den Tellerrand - in seinem Falle den Sudkessel - hinaus maßgeblich ist, damit das eigene Produkt "süffig" bleibt. Nicht nur ihm selber soll es schmecken, sondern vielen weiteren Bierliebhabern.

Der Weg von Andreas Keller zum jungen Produktionschef der Zwieseler Dampfbierbrauerei ist gepflastert von einigen durchaus überraschenden Abzweigungen. Das hinderte ihn aber nicht daran, ihn außerordentlich schnell zu absolvieren. Obwohl sein Geburtsort weit außerhalb Niederbayerns liegt, fühlt er sich mittlerweile als Waidler durch und durch. Geblieben von seinen ersten eineinhalb Lebens-Jahrzehnten in Trochtelfingen (Baden-Württemberg: "Ich bin gebürtig ein richtiger Schwabe, also kein Bayerischer") ist neben dem deutlich erkennbaren Idiom ein ihm nachgesagtes, klischeehaftes Faible für Sparsamkeit und eine kulinarische Vorliebe.

"Wenn ich die Wahl zwischen Knödel und Spätzle habe, dann nehme ich Spätzle",

erzählt er und lacht. "Und ich kann versichern: Auch ein Schweinebraten schmeckt mit Spätzle ganz gut."

Im Alter von zwölf Jahren erfüllten sich seine Eltern den Lebenstraum, in ihrem bevorzugten Urlaubsgebiet ein Wirtshaus zu eröffnen. Die Wahl fiel letztlich auf Arnbruck. "Das war schon eine große Aktion, der Umzug. Ein großer Sattelschlepper für unser Zeug sowie acht Pferdeanhänger für unsere 16 Rösser waren nötig." Und auch menschlich war es ein großer Sprung. Immerhin verließ Keller in einer Zeit seine Heimat, in der man als Jugendlicher erste tiefergehende Kontakte knüpft. "Deshalb war es im ersten Moment schon echt hart für mich." Es dauerte aber keine zwei Monate und der Schwabe war nicht nur mit dem Woid-Virus infiziert, sondern fand auch Freunde fürs Leben.

Dass der Aufbau neuer Beziehungen doch ein klein bisschen Zeit in Anspruch nahm, ist nicht nur für den 31-Jährigen im Rückblick typisch für den Charakter der rund um Lusen und Rachel lebenden Bevölkerung. "Diese anfängliche Distanziertheit finde ich gar nicht mal so schlecht. Das verhindert, dass man vielleicht das ein oder andere Mal auf die Schnauze fällt", hat er Gefallen an den Eigenheiten seiner Mit-Menschen gefunden.

"Und wenn sich eine Freundschaft entwickelt, dann hält sie ewig. Das ist doch schön."

Obwohl der junge Familienvater seine Wurzeln nie leugnen wird und - Stichwort: Dialekt – das auch nicht kann, möchte er nicht mehr zurück ins Schwabenländle. Weil da Woid inzwischen seine Heimat ist, die er schätzt und die ihm das gibt, was er braucht - Authentizität, Geborgenheit und Bodenständigkeit.

Die menschlich-private Schiene ist also relativ schnell erzählt. Die berufliche irgendwie auch - dank eines Zufalls. Ein Vertreter von Pfeffer-Bräu wurde unmittelbar nach der Neueröffnung im Keller'schen Wirtshaus vorstellig, um sein Bier an den Mann und die Frau zu bringen. "Das ist er auch losgeworden", erinnert sich der Braumeister. Und nicht nur das. Er fand bei den Neu-Waidlern auch gleich noch einen in dieser Branche rar angesiedelten Lehrlinge. "Ich weiß gar nicht mehr, warum - aber irgendwie haben wir vereinbart, dass ich ein Praktikum mache."

Aus jenen Schnuppertagen wurde eine Ausbildung. Nach einem kurzen Abstecher in eine Brauerei in Pfaffenhoffen an der Ilm, wo er wichtige Erfahrungen sammeln konnte, folgte sogleich die Weiterbildung zum Meister. Und seit 2015 ist der Jung-Bierkönig zurück in Zwiesel, bei der traditionsreichen Dampfbierbrauerei.

Dass die Braumeisterlehre so (lern-)intensiv ist, wie ihr nachgesagt wird, kann er bestätigten.

"Bio, Chemie, Physik, auch Betriebswirtschaft - da muss man sich schon reinhängen."

Das hat er auch. Nicht umsonst wurde er einer der jüngsten Absolventen überhaupt. Nicht umsonst kann er mit gerade einmal 31 Jahren auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen, der in diesem Alter eher die Ausnahme ist.

Eigentlich, so möchte man meinen, ist Andreas Keller deshalb zu Höherem berufen. Doch das will er gar nicht. Er schätzt es, "keine Nummer in einem Großbetrieb" zu sein. "In einer kleinen Brauerei muss und darf man alles machen. Genau das ist so interessant an meinen Beruf." So verlässt keine Flasche Bier die für Zwiesel charakteristische Produktionsstätte, ohne zuvor einmal durch seine Hand gegangen zu sein.

Das sind immerhin insgesamt 15.000 Hektoliter pro Jahr. Aufgeteilt auf 18 Biersorten, was eine verhältnismäßig große Auswahl darstellt. Eine arbeitsaufwendige, aber wiederum interessante Gepflogenheit der Dampfbierbrauerei. "So ist man eigentlich ständig mit der Überarbeitung irgendeines Produktes beschäftigt." Denn obwohl das Reinheitsgebot ja im Endeffekt seit 1918 eine unveränderliche Rezeptur vorgibt, finden sich doch allerhand Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. So gibt es u.a. immer wieder abweichende Hopfen- und Malzarten, die Einfluss auf den Geschmack nehmen.

"Und auch die Geschmäcker ändern sich regelmäßig. Mal sind leichtere Biere angesagt, dann wieder stärkere. Mal soll es bitterer sein, dann wieder etwas süßer."

Es wird deutlich: Braumeister zu sein bedeutet nicht, tagein tagaus dasselbe zusammenzubrauen. Bei diesem Beruf gleicht vielmehr kein Sud dem anderen. Hinzu kommt noch das betriebswirtschaftliche Segment, das Andreas Keller jedoch auf die gleiche Art und Weise behandelt wie alkoholfreies Bier – frei nach dem Motto: Es muss sein, aber macht nicht unbedingt Spaß.

Apropos Ernsthaftigkeit: Dem Zwieseler ist es durchaus bewusst, dass er täglich mit einem Suchtmittel zu tun hat. "Gerade in meinem Beruf ist es ein schmaler Grat hin zum Alkoholiker", gibt er offen zu. Aber:

"Man muss seine Grenzen kennen. Gleichzeitig braucht man vertrauensvolle Menschen, die einen darauf hinweisen."

Dass seine Produkte missbraucht werden und Menschen bei übermäßigem Genuss in den körperlichen und oft auch finanziellen Ruin treiben, ist ihm klar. "Letztlich ist aber jeder für sich selber verantwortlich."

Man merkt, dass hinter dem gutgelaunten Charakter, der auch eine sehr unterhaltsame Ader birgt, ein wacher, ernster und auch kritischer Geist steckt. Kritik an seinen Bier nimmt er zum Beispiel nicht nur wahr, sondern auch an. "Das ist wichtig, um nicht zu verblöden oder die Außenwelt zu vergessen."

Ja, Lob und Tadel gibt es genug. Denn in und um Zwiesel wird Andreas Keller wiedererkannt und ähnlich wie der Pfarrer oder der Bürgermeister mit seiner Berufszeichnung angesprochen. Das macht deutlich, welchen Stellenwert er in der Glasstadt hat. Es wäre in der Folge eine einfach Sache für ihn, die eingangs erwähnte „bierische Gretchenfrage“ zu seinen Gunsten zu beantworten. Macht er aber nicht. Braumeister-Ehrensache.