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WoidG'sichter - Annemarie Pletl

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WoidG'sichter - Annemarie Pletl

Dass Künstler eigen sind und sich deshalb oft Freunde unter ihresgleichen suchen, will Annemarie Pletl erst gar nicht abstreiten. Auch sie zählt einige Maler und Bildhauer wie etwa Klaus Büchler zu ihrem engsten Bekanntenkreis.

 "Es muss sein, dass Kunstschaffende auf eine gewisse Art und Weise komische Vögel sind", gibt die 64-Jährige zu.

"Mit ihren Werken geben sie ja alles von sich preis, sind sie doch der Ausdruck ihres Innenlebens."

Nichtsdestotrotz würde die Regenerin sich und ihre Mitstreiter keinesfalls als elitäre Menschen bezeichnen wollen, die gar eine Art Wagenburg-Mentalität entwickeln. Ja, betont sie, die meisten Künstler seien sehr introvertiert - eben wegen ihrer extrovertierten Arbeit. "Lernt man sie jedoch näher kennen, sind sie gar nicht so übel."

Das trifft auch auf Annemarie Pletl selbst zu. Zunächst nimmt man sie als etwas distanzierte Dame war. Dezent geschminkt und elegant-vornehm gekleidet, neigt man sie bei voreiliger Einschätzung dazu in eben jene elitäre Schablone zu pressen. Das eigene, lichtdurchflutete Atelier, von ihr "Das 8. Zimmer" genannt, sowie der von ihrem Mann Georg in stilvollem Geschirr servierte Kaffee samt obligatorisch dazugehörendem Gebäck verstärken diesen Eindruck.

Doch eine Reduzierung auf das Äußere würde der Mutter und Großmutter in keiner Weise gerecht werden. Auf den zweiten Blick ist die Frau mit weißem Kurzhaarschnitt und randloser Brille nämlich keine Künstlerin, deren Leben sich ausschließlich auf Pinsel, Farben und Leinwand beschränkt. Ganz im Gegenteil. Die Mittsechzigerin, die zuletzt ihre inzwischen verstorbene Mutter aufopferungsvoll gepflegt hatte, ist eine Person, die über den berühmt-berüchtigten Tellerrand hinausblickt und als durch und durch empathisch beschrieben werden kann. Themen wie die offensichtliche Spaltung der Gesellschaft durch Corona und ihre Folgen liegen ihr genauso auf dem Herzen wie die passende Komposition von Farben.

Trotz ihres extravaganten Hobbys und ihrer Belesenheit, verlief ihr bisheriges Leben eher klassisch, gar altmodisch. Sie erlebte in Rinchnach eine Dorfkindheit der 60er und 70er, wie man sie kennt: "Es war unbeschwert, uns hat es an nichts gefehlt. Wobei wir schon auch unsere Aufgaben zu erledigen hatten und körperlich arbeiten mussten." Die weiteren Punkte ihrer Biographie sind ebenfalls eher gewöhnlich.

Nach erfolgreich abgeschlossener Realschul-Laufbahn wurde sie zur Bankkauffrau bei der Sparkasse Regen ausgebildet. Warum genau dieser Job der ihrige wurde, weiß sie heute nicht mehr. "Wahrscheinlich war dort einfach eine Stelle frei", blickt sie zurück. "Das war jetzt auch nicht unbedingt mein Traumberuf. Eher die Tätigkeit, mit der ich einfach Geld verdiene." Wobei: Der Umgang mit Menschen aller Art war dann doch etwas, was die Waidlerin durchaus erfüllt hatte. Das Jonglieren mit Zahlen und Bilanzen eher nicht so – das war einzig das Mittel zum monetären Zweck. Ab 1980, nach der Geburt ihres zweiten Kindes, konzentrierte sie sich dann voll auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau. "Das hat mich komplett erfüllt und war überhaupt nicht langweilig", erinnert sie sich. "Ich genieße es seitdem, mir meinen Tag frei einteilen zu können. Außerdem ist es von unschätzbarem Wert, die Kinder und Enkelkinder aufwachsen zu sehen."

Das alles klingt nach einem für ländliche Verhältnisse "normalen" Leben einer Frau im Rahmen des klassischen Familienbildes. Alleinstellungsmerkmal - Fehlanzeige. Doch in Annemarie Pletl steckt dann doch etwas, das sie von der breiten Masse abhebt: Nämlich ihr Blick für verborgene Schönheiten, für dem Auge schmeichelnde Farbzusammensetzungen.

Generell: ihre Kreativität in malerischer Ausdrucksform. Dieses Talent gehört zu ihrem Leben, seitdem sie denken kann - allerdings ohne es gleich bewusst wahrgenommen zu haben. Im Rückblick jedoch gibt es allerlei Erlebnisse, die sie erst jetzt richtig einordnen kann.

"Mein Biologielehrer hat sich eines meiner Hefte behalten wollen, weil ich die Fach-spezifischen Darstellungen so schön gemacht habe, dass er schlicht und einfach begeistert war."

 

Für das junge Mädchen war es damals einfach so, dass sie mit Stift und Pinsel besser umgehen konnte als Gleichaltrige. Intuitiv habe sie das gemacht, was sie machen wollte. Und genau dieser Instinkt ist es, was einen guten Künstler ausmache, ist Pletl überzeugt:

"Jeder hat das in sich, was ihm Freude macht. Bei mir ist es die Malerei. Und nur wer Freude an etwas hat, kann auch kreativ werden."

Und so nahmen die malerischen Dinge ihren Lauf. Anfang der 90er hat sie sich ihre ersten Aquarellfarben samt Pinsel gekauft. "Der Ehrgeiz kam dann von selber", berichtet die 64-Jährige und erinnert sich an ihre Anfänge, den Ausbau ihres Ateliers, einem früheren Gartenunterstand, die ersten Ausstellungen - und die vielen, vielen Bilder, die sie inzwischen gemalt hat.

Es ist aber nicht so, wie es sich vielleicht viele vorstellen: Annemarie Pletl malt nicht einfach drauf los.

"Kunst ist zu 80 Prozent Handwerk, also erlernbar"

macht sie deutlich. Das, was bei der Entstehung eines Werks im Kopf passiert, sei die kreative Arbeit. Diese Ideen dann zu Papier bzw. auf Leinwand zu bringen, ist etwas, was sich stets wiederholt und aus diesem Grund auch gelehrt wird. "Welche Farben mische ich, um meine gewünschte Zielfarbe zu erhalten? Wie stelle ich Licht und Schatten dar? Arbeite ich mit Öl, Acryl oder Aquarell? Für all das gibt es Erklärungen und Vorgaben",  weiß die gebürtige Rinchnacherin. Basis ihres Wissens ist ein dreijähriges Studium an der Akademie Faber-Castell in Nürnberg, das sie von 2003 bis 2006 absolvierte.

Spricht man mit Annemarie Pletl über Kunst, hört sich die Entstehung eines Gemäldes insgesamt sehr theoretisch an. Das Geheimnis hinter einem gelungenen Werk, so macht sie deutlich, sei es, all das handwerkliche Wissen in Verbindung mit der eigenen Gefühlswelt und Vorstellungskraft so selbstverständlich ins Bild einfließen zu lassen, dass man sich über gewisse Farbformeln oder -kompositionen erst gar nicht Gedanken machen muss. Theorie und Praxis sollen dabei ineinander übergehen.

"Die Großen der Szene haben das auf eindrucksvolle Art und Weise geschafft. Und das großteils ohne entsprechende Ausbildung." Obwohl sich also viele Kunstwerke nach einer Art Schema F ergeben, hat dann doch jeder Künstler seine eigenen Feinheiten, Wiedererkennungswerte, Alleinstellungsmerkmale.

"Bei Hajo Blach ist es die Farbe blau", weiß sie. Angesprochen darauf, was dann einen typischen Pletl ausmache, kommt sie aber ins Grübeln. Ein neutraler Blick auf die mit Gemälden aller Art ausstaffierten Atelier-Wände macht jedoch deutlich, dass dort die Farbe Grün dominiert. Und dann kommt der Stein ins Rollen.

"Stimmt, ja, genau. Die Natur spielt bei mir eine große Rolle. Damit verbinde ich Heimat, ein gutes Gefühl."

Ihr ist anzumerken, wie sehr sie die Frage beschäftigt, was ihre Bilder ausmachen. Letztlich kommt sie zum Schluss: "Nicht nur das Malen ist unheimlich anstrengend, wenn man sich richtig hineinlebt. Auch im Nachhinein kann man lange und intensiv über das Dargestellte diskutieren." Nicht umsonst gibt es zahlreiche Aufsätze und Bildinterpretationen über ein und dasselbe Werk bekannter Künstler.

Apropos: Die Bezeichnung „Künstlerin“ hört Annemarie Pletl zwar gerne, beansprucht sie aber nicht für sich.

"Ich bin eher eine Malerin. Ob ich Künstlerin bin, darüber sollen andere urteilen."

Dieser Satz, der Bodenständigkeit, Zurückhaltung und Bescheidenheit ausdrückt, passt zur 64-Jährigen - wenn man sie näher kennt. Charaktereigenschaften, die dann wohl doch nicht dem Stereotyp eines Kunstschaffenden entsprechen. Wobei ja, wie wir gelernt haben, Künstler ohnehin nichts Besonderes sind...